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Gastbeitrag: Künstliche Intelligenz für nachhaltige Geldanlage – warum sie helfen kann und sollte

Die von den Rating-Agenturen bereitgestellten ESG-Daten sind von grundlegender Bedeutung, doch die Qualität dieser Daten ist manchmal fraglich. In den Bewertungen ist ein starkes subjektives Element enthalten. Es zeigt sich schon in der Auswahl der als relevant eingestuften ESG-Kriterien und deren Gewichtung. Die Informationen stammen von den Unternehmen selbst. Ergänzt werden sie durch persönliche Analysen. Es verwundert daher nicht, dass die Beurteilungen durch die Agenturen sehr voneinander abweichen können. Trotzdem werden diese Ratings nur selten überprüft.

Tegwen Le Berthe

In den letzten Jahren haben die Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) und des maschinellen Lernens zur Entstehung einer neuen Art von ESG-Datenanbietern geführt. Ohne sich zwingend auf die von den Unternehmen bereitgestellten Informationen verlassen zu müssen, sammeln und analysieren sie in großem Umfang unstrukturierte Daten aus verschiedenen Internetquellen.

Textanalyseprogramme helfen bei der Entdeckung von wichtigen ESG-Nachrichten. Durch sie können Kontroversen im Zusammenhang mit bestimmten Unternehmen bezüglich verschiedener Themen wie Umweltpolitik, Arbeitsbedingungen oder Kinderarbeit genau erfasst werden. Im Vergleich zu herkömmlichen Ratings haben sie den Vorteil, dass sie häufiger überarbeitet werden und Unternehmensinformationen in Echtzeit einbeziehen. So analysiert die Software Reprisk beispielsweise täglich mehr als 80.000 Medien und erkennt durch Screening-Methoden mit maschinellem Lernen in Kombination mit menschlicher Analyse Ereignisse in der ESG-Politik von Unternehmen.

Mit Textanalysen Unternehmensinformationen überprüfen
Forscher und Organisationen haben damit begonnen, KI zur Kontrolle von Unternehmensangaben einzusetzen. Die Task Force on Climate Related Financial Disclosures (TCFD) hat eine „KI-Überprüfung“ durchgeführt, um die Erfüllung der empfohlenen Offenlegungsaufgaben zu untersuchen.

Mit einem kontextbasierten Algorithmus zur Erkennung klimabezogener Finanzinformationen in Berichten, also Jahresberichte, eigenständige Nachhaltigkeitsberichte, Firmenwebseiten und mehr, von 800 Unternehmen, die die TCFD unterstützen, konnte erforscht werden, ob sich durch die TCFD die Klimaberichterstattung verbessert hat. Danach neigen Unternehmen vorwiegend zu Angaben in den Kategorien, die die unwesentlichsten Informationen erfordern. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Offenlegung im Rahmen der TCFD derzeit wenig gehaltvoll ist. Die Mitteilungsbereitschaft zu Strategie sowie Kennzahlen und Zielen ist in allen Branchen mit Ausnahme von Energie und Versorgung besonders schlecht.

Satellitendaten zur Analyse von Umwelteinwirkungen
Die zeitlichen, räumlichen und spektralen Informationen, die durch Satelliten gewonnen werden, haben erheblich zugenommen. Mit Hilfe dieser Daten lassen sich – ohne das Risiko der Datenmanipulation – beispielsweise die CO2-Emissionen von Unternehmen überprüfen oder die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Ökosysteme analysieren.

Beispielsweise kann anhand von öffentlich zugänglichen Infrarot-Aufzeichnungen der NASA das Ausmaß des „Flaring“ (Verbrennung von unerwünschtem Erdölbegleitgas bei der Ölförderung) durch Unternehmen ermittelt werden. Beim „Flaring“ entsteht eine Temperatur zwischen 1.600 Grad und 2.000 Grad Celsius. Daher ist es mit Waldbränden, die im Allgemeinen etwa 800 Grad Celsius erreichen, nicht zu verwechseln. Durch das „Flaring“ spart ein Unternehmen auf Kosten der Umwelt die Ausgaben für den Anschluss der Quelle an eine Pipeline oder für die Aufbereitung des Gases.

Bodengestützte Stationen zur Überwachung der Luftverschmutzung sind in Entwicklungsländern kaum verbreitet und unterliegen möglicherweise der Manipulation durch die Regierung. Mit Satellitenaufnahmen kann man die durch Waldbrände verursachte Luftverschmutzung messen; geostationäre Satellitenbilder erlauben eine genaue Schätzung der Luftverschmutzung durch verschiedene Schadstoffarten. Das Medium-Spectral Resolution Imaging Spectrometer (MERIS) ermöglicht die Überwachung der Wasserqualität in Echtzeit. Bei grenzüberschreitenden Flüssen beispielsweise wäre ohne MERIS eine effiziente Zusammenarbeit der betroffenen Länder erforderlich, die nicht überall zu erreichen sein dürfte. Durch Satelliten können Aufforstungsprogramme überwacht oder die Auswirkungen von Überschwemmungen, die in den letzten 30 Jahren mehr als 500.000 Menschen getötet und über 650 Millionen Menschen vertrieben haben, erforscht werden.

Sogar soziale Indikatoren lassen sich aus Satellitenbildern ableiten. Anhand von Merkmalen wie die Menge und Dichte von Gebäuden, die Anzahl von Autos, die Lage und Länge von Straßen, die Art der Landwirtschaft oder das Dachmaterial, zeigt sich das Ausmaß von Armut beziehungsweise wirtschaftlichem Wohlstand.

Maschinelles Lernen zur Ergänzung fehlender Unternehmensdaten
KI kann dazu beitragen, die Lücken in der Offenlegung durch Unternehmen zu schließen. Große Unternehmen berichten über ihre CO2-Emissionen auf der Grundlage des GHG-Protokolls (Greenhouse Gas Protocol) des World Business Council for Sustainable Development (WBCSD). Nach diesem Protokoll ist die Berichterstattung über Scope 1 und 2 (eigene Emissionen und Emissionen aus eingekaufter Energie) obligatorisch, während die Berichterstattung über Scope 3 (Emissionen aus vor- und nachgelagerten Prozessen) optional ist. In einigen Branchen macht Scope 3 jedoch häufig den größten Anteil an den gesamten CO2-Emissionen der Unternehmen aus.

Die Beurteilung des gesamten CO2-Ausstoßes setzt voraus, dass die Emissionen jedes Produktionsschritts eines jeden Unternehmens bekannt sind. Außerdem ist das Wissen erforderlich, wie intensiv die einzelne Produktionsstufe in dem fraglichen Jahr im Einsatz war. Die hierfür erforderlichen Informationen sind selten öffentlich zugänglich.

Spezialisierte Datenanbieter stützen sich daher auf einfache Modelle zur Vorhersage der wahrscheinlichen CO2-Emissionen von Unternehmen. Die Berechnungen erfolgen auf der Grundlage von Erkenntnissen auf Branchenebene; manchmal durch Anwendung von Regressionsmodellen beruhend auf der Größe des Unternehmens, der Zahl der Beschäftigten oder den erzielten Einnahmen. Mit statistischen Lerntechniken können zuverlässigere Modelle für die Bestimmung nicht offengelegter CO2-Emissionen auf der Grundlage öffentlich verfügbarer Daten entwickelt werden.

KI als Allheilmittel?
KI bietet interessante Möglichkeiten, ESG-Informationen zu ergänzen. Problemlos ist aber auch sie nicht. So werden Themen, die jeweils zum Zeitpunkt der Bewertung die meisten ESG-Kontroversen auslösen, stark übergewichtet. Die Ratings können zu einer Art öffentlichem Stimmungsindikator werden. Dies gilt insbesondere, wenn die primäre Datenquelle aus Blogs oder sozialen Medien stammt. Auch Manipulationen sind leichter möglich. So könnten Manager beispielsweise bewusst den Gebrauch von Wörtern vermeiden, die von Computeralgorithmen als negativ wahrgenommen werden.

Zudem werden durch KI gesammelte Daten ebenfalls bei Bedarf ergänzt und methodisch überarbeitet. Letztendlich könnte es auch bei der Verwendung alternativer ESG-Datensätze zwischen den Ratingagenturen zu den gleichen Bewertungsunterschieden wie bei der traditionellen Datengewinnung kommen.

Finanzinstitute und Asset Manager, die die durch KI gewonnenen Daten in ihre Analyse einbeziehen wollen, müssen sich bewusst sein, dass die Wahl eines Messwerts statt eines anderen einen großen Einfluss auf das Ergebnis hat. Letztendlich darf nicht zu viel Vertrauen in die einzelnen Daten gesetzt werden. Stattdessen sollte das Wissen um die Ungenauigkeiten in das Verfahren einfließen. Zuletzt sollten auch die Kosten alternativer Datensätze nicht außer Acht gelassen werden: Nicht nur die Beschaffung der Daten, sondern auch die Speicherung, Überprüfung und Einordnung dieser großen Datensätze kann ein eigenes Team erfordern und sehr kostspielig sein.

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*) Tegwen Le Berthe, Head of ESG Methods & Solutions, Amundi