Das Jahr 2023 markierte mit einem Transaktionsvolumen von nur 5,7 Mrd. Euro auch aufgrund fehlender Großtransaktionen einen Tiefpunkt für den deutschen Retail-Investmentmarkt. Doch die Entwicklung im Jahr 2024 zeigt eine klare Aufwärtsbewegung: BNP Paribas Real Estate zufolge erhöhte sich das Transaktionsvolumen im Retail-Investmentmarkt im Jahresverlauf wieder auf rund 6,3 Mrd. Euro. Besonders im Segment der Shopping Center (und ähnlichen Objekten wie Einkaufspassagen) ist die Dynamik spürbar: Es finden wieder größere Transaktionen statt und die Renditen haben sich vielerorts stabilisiert. Die potenzielle Käuferseite besteht nicht mehr allein aus klar opportunistisch orientierten Investoren, die auf ein Schnäppchen aus sind, sondern wieder zunehmend auch aus Akteuren, die auf klassische Value-Add- oder Core-Plus-Strategien setzen. Hinzu kommt, dass deutsche Top-Städte wieder zusehends in der Gunst der Investoren stehen: Eine aktuelle CBRE-Umfrage ergab, dass Berlin der europaweit aussichtsreichste Investmentstandort für deutsche Investoren ist – noch vor London. München folgt auf Platz drei.
Positive Impulse aus den Vermietungsmärkten
Außerdem gibt es gute Nachrichten aus dem stationären Einzelhandel selbst. Nach Jahren des Rückgangs zeigt der Markt an ausgewählten Standorten wieder erste Expansionsbewegungen. Besonders bemerkenswert ist, dass großflächige Händler wie Ikea oder Decathlon damit begonnen haben, kleinere Einheiten in Einkaufszentren zu nutzen, um näher an ihre Kunden heranzurücken. Diese City-Konzepte zeigen, dass gut positionierte Flächen weiterhin eine hohe Attraktivität besitzen. Gleichzeitig expandieren auch ausgewählte Textilkonzepte wieder, allerdings ausschließlich mit innovativen Formaten und an sorgfältig geprüften Standorten. Entwicklungen wie diese unterstreichen, dass hochwertige, gut gelegene Einzelhandelsflächen langfristig vermietbar bleiben – oft sogar zu langsam wieder wachsenden Spitzenmieten. Eigentümer und Center Manager können diese Potenziale aber nur nutzen, wenn die Handelsflächen ein hohes Maß an Attraktivität aufweisen und auch technisch mit den neuen Konzepten kompatibel sind.
Ohne Konzept geht es nicht
Eine erfolgreiche Transformation von Shopping Centern beginnt immer mit der Überprüfung und Optimierung der Flächennutzung. Viele Objekte leiden noch immer unter Überkapazitäten, die in den Boomjahren bis etwa 2015 entstanden, als zu viel Fläche entwickelt wurde. Der Fokus liegt nun darauf, Handelsflächen zu reduzieren und gleichzeitig aufzuwerten, ergänzt durch innovative Nutzungen, die Frequenzen schaffen und neue Zielgruppen ansprechen, oftmals durch ein gut durchdachtes Mixed-Use-Konzept. Inzwischen sind einige neu positionierte Center mit vielseitigem Flächenmix und integrierten Hotelbereichen, Coworking Spaces oder auch Serviced Apartments in die Betriebsphase übergegangen und zeigen: Es handelt sich hierbei nicht um ein Strohfeuer, sondern um einen zukunftsstarken Megatrend. Besonders in den oberen Etagen, wo Einzelhandel oft weniger erfolgreich ist, entstehen durch solche Ergänzungen neue Synergien. Gastronomie, Freizeitangebote und sogar Wohnraum tragen ebenfalls dazu bei, Shopping Center zu lebendigen Quartieren zu machen, die mehr als reine Einkaufsstätten sind. Gleiches gilt für ein modernes Gastronomieangebot, das dabei hilft, die Aufenthaltsqualität nachhaltig zu stärken – ein Thema, das in Fachkreisen oft diskutiert wird, aber noch nicht in jedem Konzept ausreichend Anwendung findet.
Der Zeitfaktor darf nicht unterschätzt werden
Eine wichtige Grundlage für eine solche Neuausrichtung ist die tiefgreifende Analyse des Makro- und Mikrostandortes. Dabei müssen Fragen nach den Frequenzen der Kaufkraft und der Konkurrenzsituation ebenso beantwortet werden wie die nach den spezifischen Bedürfnissen des Einzugsgebiets. Solche Analysen erfordern Zeit und Expertise, sind aber unerlässlich, um die richtigen Entscheidungen für die Zukunft der Immobilie zu treffen. Sie sind auch ein zentraler Baustein für eine erfolgreiche Vermarktung: Ein klar definiertes Nutzungskonzept macht eine Immobilie für potenzielle Käufer attraktiver und kann den Verkaufspreis selbst dann positiv beeinflussen, wenn die Maßnahmen noch nicht umgesetzt sind.
Insgesamt gilt: Die Repositionierung eines Einkaufszentrums ist ein komplexer und langfristiger Prozess. Eigentümer sollten mindestens zwei bis drei Jahre für die Konzeption und Umsetzung einplanen. Das Zeitfenster hierfür schließt sich – wir sind bereits beim „Last Call“ angekommen, bevor die Gelegenheit endgültig verstreicht. Wer jetzt nicht handelt, nimmt in Kauf, dass seine Immobilie langfristig von bereits repositionierten und wettbewerbsfähigeren Objekten überholt wird. Diese Konkurrenz ist real und bereits sichtbar. Zahlreiche Projekte in Deutschland haben bewiesen, dass durch Investitionen in Mixed-Use und innovative Ansätze erhebliche Wertsteigerungen möglich sind. Wer sich jetzt auf den Weg macht, hat jedoch noch die Möglichkeit, mit klugen Konzepten eigene Maßstäbe zu setzen.
Gleichzeitig bietet der Markt durch das Repricing eine ideale Gelegenheit für Investoren, die sich langfristig engagieren wollen: Der Mix aus stabilen Mieteinnahmen, einem gewissen Inflationsschutz und der Möglichkeit, mit sinkenden Zinsen zusätzliche Wertsteigerungen zu realisieren, macht Einzelhandelsimmobilien wieder zu einer attraktiven Anlageklasse – vorausgesetzt, sie sind zukunftsfähig aufgestellt.
---
*) Lars Jähnichen, Geschäftsführer IPH Gruppe, und Jürgen Kreutz, Geschäftsführer IPH Transact GmbH