In den vergangenen Monaten hat sich aber auch immer wieder auf beeindruckende Weise gezeigt, dass der stationäre Handel mit modernen Konzepten sein Comeback feiert. Nicht nur auf der Pariser Champs-Élysées, sondern auch auf den deutschen Highstreets der Großstädte und Metropolen ist die Einzelhandelslandschaft inzwischen wieder mindestens so spannend wie vor der Corona-Pandemie. Neben Mainstream-Retailern, die die Chance zur Expansion nutzen, und ausgewählten Luxuskonzepten, die sich als sehr resilient erwiesen haben, mieten vor allem auch die Hersteller neue Flächen an. Sie suchen die Nähe zum Kunden, um einzigartige Markenerfahrungen zu schaffen – wie es zum Beispiel im M&M’s-Store auf dem Berliner Kurfürstendamm der Fall ist. Für die frei werdenden Flächen stehen also bereits neue potenzielle Mieter bereit.
Bonitätsstarke Mieter – inflationsgesicherte Mieten
Aus Vermieter- und Investorensicht handelt es sich hierbei um äußerst spannende und sichere Mieterprofile, die über eine hohe Bonität verfügen und gleichzeitig eine starke Vor-Ort-Präsenz anstreben. Händler, die gezielt positive Einkaufserlebnisse schaffen, ziehen Kunden an und erhöhen somit die Frequenz am gesamten Mikrostandort. Besonders für Shopping-Center bedeutet dies eine Aufwertung der gesamten Immobilie. Die solide Mieternachfrage für solche hochwertigen Flächen zeigt sich aktuell auch daran, dass die Mietpreise punktuell sogar wieder steigen. Oder anders gesagt: Solange Standort und Immobilienkonzept stimmen, sind zahlreiche Mieter wieder bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Noch dazu hat sich gezeigt, dass die im Einzelhandelssegment üblichen Mietindexierungen in Zeiten hoher (und weiterhin ungewisser) Inflationsentwicklungen ein wichtiger Sicherheitsanker sein können. Inzwischen ist diese inflationsbedingte Wertentwicklung für einige Investoren sogar ein Hauptgrund für das „Investmentprodukt Einzelhandelsimmobilie“ geworden.
Der Markt ist bereit für ein Re-Opening
Für das Gesamtjahr 2023 fielen die Ergebnisse auf dem deutschen Transaktionsmarkt mit rund 6 Mrd. Euro verhalten aus. Vor allem großvolumige Verkäufe fehlten. Diese Entwicklung haben jedoch auch andere gängige Assetklassen wie Büros oder Logistikimmobilien verzeichnen müssen. Gerade bei kleineren Objekten wie Fachmarktzentren oder freistehenden Supermärkten waren die Transaktionsaktivitäten wieder deutlich dynamischer. Asset- und Fondsmanager gehören aktuell zu den wichtigsten aktiven Käufergruppen.
Auch bei den großformatigen Objekten und dort vor allem im Core-Segment beobachten die potenziellen Käufer den Markt sehr sensibel und möchten bei passenden Rahmenbedingungen wieder zügig loslegen. Neben der herausfordernden Finanzierungssituation steht oft aber noch die Frage nach der Preisbildung im Raum. Während die Verkäufer aktuell fürchten, opportunistisch orientierten Investoren in die Arme zu laufen, fragen sich die Käufer, ob die Bodenbildung tatsächlich bereits eingesetzt hat – oder ob sie mit ihrer Kaufentscheidung womöglich zu früh dran sind. Das liegt unter anderem schlicht und einfach daran, dass die Comparables für vergleichbare Transaktionen rar sind. Es deutet jedoch immer mehr darauf hin, dass die Bodenbildung inzwischen weitgehend erreicht wurde. Bei innerstädtischen Geschäftshäusern wurde zuletzt kein weiterer Preisverfall verzeichnet. Im Shopping-Center-Segment sind die Renditen zuletzt noch gestiegen, wenngleich mit einer deutlich verminderten Dynamik.
Insgesamt ergibt sich aus dieser Konstellation sehr viel Potenzial für eine Belebung der Transaktionstätigkeiten im Jahr 2024 und darüber hinaus. Ob sie nun exakt die Bodenbildung treffen oder nicht: Für Investoren besteht zurzeit die beste Kaufgelegenheit seit mindestens 15 Jahren – wobei mit sinkenden Zinsniveaus zusätzlich ein wertsteigernder Effekt eintreten dürfte. Der inhärente Inflationsschutz ist dabei ein weiteres wichtiges Argument, das Einzelhandelsimmobilien von Alternativanlagen, wie beispielsweise Anleihen unterscheidet. Noch dazu wird der Verkauf einiger Karstadt-Häuser für ein steigendes Volumen sorgen, schließlich handelt es sich um Immobilien in exzellenter Lage mitten in den Städten. Objekte in solcher Lagequalität gelangen selbst in herausfordernden Zeiten nur höchst selten auf den Markt.
Strategische und operative Arbeit nötig
Trotz dieser vielversprechenden Situation sind Investments in Einzelhandelsimmobilien kein Selbstläufer. Es gilt zunächst, eine tiefgreifende Analysearbeit durchzuführen, um das Potenzial der Immobilie zu ermitteln und überhaupt erst die passenden Mieterprofile zu finden. Schließlich hat der Wandel in den Innenstädten dazu geführt, dass sich auch die Passantenfrequenzen geändert haben. Mikrostandort und Wettbewerbssituation sind also genauso wichtige Analysekriterien wie der bauliche Zustand und die Konfiguration der Immobilie selbst.
Auf Basis dieser Analyse muss anschließend ein zukunftsfähiges Immobilienkonzept entwickelt werden. Nicht nur bei den eingangs erwähnten Warenhäusern, sondern auch bei größeren Shopping-Centern kommt es mehr denn je auf einen intelligenten Nutzungsmix an. In vielen Fällen kann es sinnvoll sein, in den oberen Etagen ein Hotelkonzept, Coworking-Spaces, Serviced-Apartments oder ein anderes Konzept anzusiedeln, das dann von einem starken Einzelhandel in den unteren Etagen ergänzt wird.
Genauso wichtig wie die Strategie ist jedoch auch die operative Arbeit am Objekt. Selbst das beste Konzept funktioniert nur, wenn es konsequent durch das Vermietungsmanagement umgesetzt wird. Erst dann kann eine Einzelhandelsimmobilie ihr Potenzial voll entfalten und langfristig positive Cashflows generieren.
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*) Lars Jähnichen, Geschäftsführer IPH Gruppe und Jürgen Kreutz, Geschäftsführer IPH Transact