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Gesundheitsimmobilien: Ein Markt, zwei Assetklassen und zu wenig Produkt

Der Markt für Gesundheitsimmobilien ist aus dem Gleichgewicht geraten. Auf der einen Seite gibt es das gesetzlich regulierte Segment der Pflegeimmobilien, das mittlerweile von Investoren deutlich übersättigt ist. Auf der anderen Seite leidet der Sektor der Wohnimmobilien mit Service an einem immer größer werdenden Produktmangel durch die dynamisch steigende Nachfrage bei fehlendem Angebot. Beide Kategorien bedienen zwar eine Klientel mit deutlichen Überschneidungen – Menschen höheren Alters. Von der Regulatorik und aus Sicht der Investoren handelt sich damit aber mit Recht um zwei unterschiedliche Assetklassen. Dabei bietet das Service-Wohnen ein viel attraktiveres Renditepotenzial als der Pflegebereich. Doch bleibt dieses größtenteils von Investoren beziehungsweise Projektentwicklern noch ungenutzt.

Dr. Michael Held

In der streng regulierten Assetklasse der Pflegeimmobilien erlebt der Markt seit mehreren Jahren erheblichen Zuwachs an institutionellen und zu einem großen Teil auch internationalen Investoren. Die Folge ist augenscheinlich: Der regulierte Pflegeheimmarkt verfügt über eine zu hohe Investorendichte, es tummeln sich zu viele große Fische in einem zu kleinen Teich.

Das trägt vor allem der Entwicklung Rechnung, dass der Gesundheitsimmobilienmarkt bei Investoren durch die konjunkturunabhängige Wachstumsstärke insgesamt hoch im Kurs steht. Diese defensive Assetklasse hat ihre Robustheit insbesondere in der Krise erneut unter Beweis gestellt. Entsprechend hoch ist die Nachfrage, das bestätigen auch aktuelle Marktzahlen. CBRE zufolge ist das Transaktionsvolumen im Gesundheitsimmobilienbereich im ersten Quartal 2021 im Vergleich zum Vorjahresquartal um mehr als zwei Drittel gestiegen, auf insgesamt 790 Mio. Euro. Damit war es das stärkste Auftaktquartal seit Beginn der CBRE-Aufzeichnungen. Davon machen Pflegeimmobilien mit 57% zwar noch den größten Anteil aus, allerdings holt betreutes Wohnen deutlich auf. Dessen Marktanteil stieg nun um 22 Prozentpunkte auf 32%. Gerade im Bereich betreutes Wohnen beziehungsweise Wohnen mit Service wird die Nachfrage immer größer, gleichzeitig fehlt aber ein adäquates Produktangebot.

Angebot und Nachfrage, Regulatorik und Professionalisierung bestimmen Rendite
Dabei gibt es mehrere Faktoren, die die Rendite in den Segmenten Pflegeimmobilien und Wohnen mit Serviceangeboten zunehmend bestimmen. Zum einen verfügt die Assetklasse Pflegeimmobilien aufgrund der Einstiegshürde der Regulatorik über einen hohen Grad an Professionalisierung, zum anderen lassen sich Bedarf und Nachfrage demographisch verlässlich prognostizieren. Auf der anderen Seite erfahren aber Investoren seit Jahren rückläufige Renditen, da sie sich auf der Suche nach Produkten gegenseitig überbieten, die Regulatorik jedoch eine unmittelbare Übertragung der Investitionskosten auf die Bewohner nicht zulässt und drittens die Professionalisierung ihren Preis hat. Auch hier sprechen die Zahlen für sich: Während die Spitzenrendite auf dem regulierten Pflegeheimmarkt im Jahr 2010 noch 8% betrug, liegt sie seit 2020 bei nur noch rund 4%.

Bedarf an altersgerechtem Wohnen wächst
Die strenge Fokussierung auf den regulierten Pflegemarkt lässt außer Acht, dass der Gesamtbedarf an altersgerechtem Wohnraum weiterhin stark steigt. Wohnen mit Service ist ein robuster Wachstumsmarkt, der lediglich durch den Produktmangel gebremst wird. Denn die Nachfrage nach seniorengerechtem Wohnen mit einem Angebot aus Grund- und Wahlservice steigt erheblich und die Zielgruppe wird immer größer. Auch durch das politische Prinzip „ambulant vor stationär“ bekommt dieses Immobiliensegment Rückenwind. Die Anzahl der Endverbraucher, die in den kommenden Jahren mit der Frage konfrontiert werden, wie sie ihrem steigenden Alter entsprechend wohnen wollen, nimmt kontinuierlich zu. Bis 2030 dürfte die Zahl der über 65-Jährigen um 28% auf 21,8 Millionen und die der 80-Jährigen um 38% auf 6,2 Millionen steigen.

Bereits jetzt fehlen ca. 550.000 Wohneinheiten mit Service für Senioren, davon rund 90.000 im Premium-Bereich. 350.000 von diesen Wohnungen sind aus dem laufenden Einkommen der Seniorenhaushalte leistbar und weitere 200.000 aus dem Einsatz von weiterem Vermögen wie Immobilien. Somit beläuft sich das aktuelle Investmentpotenzial im Service-Wohnen auf 64 Mrd. Euro bis fast 100 Mrd. Euro. Der Bedarf dürfte bis 2035 um weitere 200.000 Service-Wohnungen – und davon 33.000 in Premium-Qualität – steigen.

Geringere Betreiberabhängigkeit senkt Vermietungsrisiken
Nicht außer Acht lassen darf man dabei die geringere Betreiberabhängigkeit im Bereich Wohnen mit Service, insbesondere im Vergleich zu regulierten Pflegeheimen. In Pflegeheimen werden rund 70% der Einnahmen für das operative Geschäft in Anspruch genommen, lediglich 30% der Einnahmen stehen für die Mieten zur Verfügung. Das sind mit Blick auf die chronischen Engpässe im Personalbereich nicht unerhebliche Risiken. Bei Wohnimmobilien mit Service ist die Verteilung genau umgekehrt. Hier können rund 70% der Einnahmen in die Mietkosten fließen, während der operative Teil bei 30% liegt. Berücksichtigt man zudem, dass die Mieteinnahmen bei altersgerechtem Wohnen von der Beschäftigungssituation der Bewohner unabhängig sind, wird deutlich, warum bei vergleichbaren Faktoren von rund 25 das Mietausfallrisiko im Segment des Service-Wohnens in der Praxis gegen Null geht.

Fazit: Service-Wohnen bietet deutliche Investment-Vorteile im Vergleich zu Pflege
Stellt man diese Kausalitäten auf den beiden Geschwistermärkten in ein Verhältnis zueinander, so wird folgendes mit Blick auf die Renditekompression in beiden Assetklassen deutlich: Mit jedem neuen zur Verfügung gestellten Pflegeplatz kann zwar der angebotsbedingte Kuchenanteil an der Renditekompression in der Assetklasse der Pflegeimmobilien bis zu einem gewissen Grad gesenkt werden. Es bleiben aber die hohen Kosten für Regulatorik und Professionalisierung, die unabhängig vom Produktangebot bestehen. In der Assetklasse betreutes Wohnen beziehungsweise Service-Wohnen sieht die Situation hingegen anders aus. Dort wird die Rendite ausschließlich durch die Marktmechanismen von Angebot und Nachfrage bestimmt, sodass jede Erhöhung des Angebots an altersgerechtem Wohnraum unmittelbare positive Auswirkungen auf die Rendite hat.

Ein Faktor kommt noch hinzu: Der Bedarf an altersgerechten Wohnformen mit Service gewinnt immer mehr an Bedeutung, um ein autonomes Leben bis ins hohe Alter zu ermöglichen. Gerade im Premiumsegment kann das durch ein entsprechendes Angebot und Personal realisiert werden. Das ist deutlich schwieriger für Anbieter im mittel- und niedrigpreisigen Segment. Auch im Hinblick auf die oftmals hohen Grundstücks- und Baupreise lässt sich der Premium-Bereich wirtschaftlicher umsetzen.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Potenzial in allen Bereichen des Service-Wohnens enorm ist und insbesondere für den diversifizierenden Investor durch das attraktive Rendite-Risiko-Profil interessant sein sollte. Dieser Aufholbedarf und die Chancen daraus müssen nur noch ergriffen werden.

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*) Dr. Michael Held ist Vorstandsvorsitzender der Terragon AG.