Die Herausforderung für moderne Bestandsgebäude in Deutschland
Moderne Gebäude zeichnen sich häufig durch energieeffiziente Bauweisen und Green-Building-Zertifizierungen wie DGNB, LEED oder BREEAM aus. Die Anforderungen der EU-Taxonomie gehen jedoch weit darüber hinaus. Insbesondere Eigentümer von Gewerbeimmobilien in Deutschland haben mit der Nachweisführung zu kämpfen. Denn die EU-Taxonomie-Verordnung sieht vor, dass Gebäude, die vor dem 31. Dezember 2020 errichtet wurden, entweder die Energieeffizienzklasse A aufweisen oder hinsichtlich ihres Primärenergiebedarfs zu den besten 15% des nationalen oder regionalen Gebäudebestands gehören müssen. Die Berechnung der Energieeffizienzklasse A für Gewerbeimmobilien ist in Deutschland allerdings nicht vom Gesetzgeber in den entsprechenden Energiestandards (beispielsweise im Gebäudeenergiegesetz) definiert. Zudem gibt es keine öffentlich zugängliche Datenbank für den Gebäudebestand, die zur Definition des Top-15-Prozent-Benchmarks herangezogen werden könnte.
Die Folgen fehlender Datenbanken
In anderen Ländern, etwa in Großbritannien, Spanien und den Niederlanden, sind nationale Datenbanken zur Energieeffizienz und Energieeinsatz von Gebäuden längst etabliert. Diese Datenbanken bieten eine Grundlage für den Beleg, ob eine Immobilie zu den oberen 15% des energieeffizientesten Gebäudebestands gehört. Das verschafft den Immobilienakteuren in diesen Ländern einen erheblichen Vorteil. In Deutschland fehlt eine solche Infrastruktur bislang. Dies erschwert den Nachhaltigkeitsnachweis erheblich und gefährdet damit die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Immobilien auf dem europäischen Markt.
Die neue Gebäudeeffizienzrichtlinie verpflichtet zwar alle EU-Mitgliedstaaten dazu, solche nationalen Datenbanken aufzubauen und öffentlich zur Verfügung zu stellen. Voraussichtlich im Jahr 2027 ist aber erst die nationale Umsetzung vorgesehen. Bis eine entsprechende Datenqualität, Datensicherheit und Repräsentativität erreicht sind, gehen wertvolle Jahre für die Transformation des Gebäudebestands verloren.
Alternativ gibt es in Deutschland zwar eine Studie des Fraunhofer Instituts, in der verschiedene am Immobilienmarkt gängige Methoden zur Indikation und Schätzung von Energieeffizienzklassen für Nichtwohngebäude in Deutschland untersucht wurden. Die Studienautoren kommen jedoch zum Schluss, dass einige marktgängige Methoden eher „schätzen“ als methodisch einen gesicherten Ansatz zur qualitativ nachhaltigen Bewertung der Energieeffizienz von Immobilien liefern. Als Ausweg empfehlen sie die Anwendung der Klassifikationsmethodik der DIN EN ISO 52003-1 zur gesicherten Indikation von Energieeffizienzklassen.
Viele Marktteilnehmer verwenden jedoch leider die weniger strenge BVI-Methodik zur Indikation der Energieeffizienzklassen. Für streng regulierte Unternehmen, die im Rahmen der Taxonomie-Verordnung berichten müssen, ist eine Schätzung von Energieeffizienzklassen jedoch nicht zulässig.
Offenlegungsverordnung vs. Taxonomie
Es zeigt sich, dass die Offenlegungsverordnung (SFDR) und die EU-Taxonomie nicht harmonisiert sind: Wenn Fondsanbieter, Banken und Versicherungen beispielsweise ihre Finanzprodukte im Rahmen der SFDR klassifizieren, dürfen sie Schätzungen und eigene Methoden verwenden, solange sie dies kenntlich machen.
Immobilienfonds, die nach Artikel 8 der SFDR ein ökologisches Merkmal im Rahmen der Taxonomie-Verordnung bewerben und wo zum Beispiel ein möglicher Indikator die Energieeffizienzklasse A ist, dürfen ausschließlich Immobilien enthalten, die diesem Energieeffizienzstandard entsprechen. In Deutschland ist es zwar nicht möglich, einen solchen Nachweis für Nichtwohngebäude zu schaffen. Schätzungen der Energieeffizienzklasse auf Basis des Primärenergiebedarfs und abgeleiteter Klassifizierungsstufen wären im Rahmen der SFDR-Klassifizierung, sofern in den offengelegten Informationen kenntlich gemacht, jedoch möglich.
Artikel-9-Fonds hingegen, die ein nachhaltiges Investitionsziel verfolgen und damit auch die Vorgaben der EU-Taxonomie anwenden, sind direkt an die Vorgaben der EU-Taxonomie gebunden und dürften keine Indikatoren und Schätzwerte verwenden. Das bedeutet, dass Nichtwohngebäude in Deutschland nicht mit der Energieeffizienzklasse A bewertet werden könnten.
Auswirkungen auf Immobilienunternehmen
Die Auswirkungen auf den Marktwert von Immobilien und die Finanzierungsbedingungen können erheblich sein, wenn die Taxonomiekonformität nicht nachgewiesen werden kann. Und in Deutschland sind viele Unternehmen dazu verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsleistungen nach einem einheitlichen EU-Berichtsstandard transparent zu machen. Denn die EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen „Corporate Sustainability Reporting Directive“ (CSRD) ist bereits Anfang 2023 in Kraft getreten und muss nun innerhalb von 18 Monaten in den Mitgliedstaaten umgesetzt werden. Sobald ein Unternehmen berichtspflichtig wird, muss es den Anteil der taxonomiekonformen Gebäude, die sogenannte Green Asset Ratio (GAR), ausweisen. Kann ein Unternehmen diesen Nachweis nicht erbringen, könnten große Teile des Immobilienbestandes aus der Green Asset Ratio herausfallen. Dann wäre für diesen Teil die Taxonomie-Quote null Prozent.
Transparenz und Portfolioanalyse sind die Basis
Um den Herausforderungen der EU-Taxonomie gerecht zu werden, müssen Marktteilnehmer aktiv werden. Auch wenn es in Deutschland noch keine offizielle Datenbank zur Bestimmung der oberen 15% der energieeffizientesten Gebäude gibt, existieren bereits Analysen zur Einschätzung des Marktstandards zum Beispiel von Drees & Sommer im Rahmen einer gemeinsamen Studie mit dem Verband deutscher Pfandbriefbanken. Und das nicht nur für Deutschland, sondern unter anderem auch für Polen, Frankreich, Niederlande, USA und Kanada sowie in Zusammenarbeit mit der ÖGNI – der Österreichischen Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft – für Österreich.
Allerdings liegt es an jedem einzelnen Marktteilnehmer, zunächst Transparenz zu schaffen, wie „grün“ sein Portfolio überhaupt ist. Es ist durchaus herausfordernd, an die relevanten Daten zu gelangen. Hilfreich können zum Beispiel sogenannte grüne Mietverträge („Green Leases“) sein, mit denen sich Mieter vertraglich dazu bereit erklären, zum Beispiel ihre Verbrauchsdaten zu übermitteln. Eine Erfassung und zentrale Analyse dieser Daten ist der erste Schritt, um Immobilien zu klassifizieren und optimal auf die jeweilige Immobilie zugeschnittene Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks einzuleiten.
Dabei geht es nicht nur darum, den Gebäudebestand klimafreundlich zu gestalten, sondern auch von den wirtschaftlichen Vorteilen nachhaltiger Immobilien zu profitieren. Dazu gehören nicht nur geringere Bewirtschaftungskosten, sondern auch eine hohe Vermietungsquote und damit ein stabiler Cashflow. Denn auch bei den Nutzern der Immobilien steigt der Stellenwert von nachhaltigen Flächen, während veraltete Objekte an Attraktivität verlieren.
Fazit
Die EU-Taxonomie und die damit verbundenen Klimaziele stellen die Immobilienbranche zwar vor große Herausforderungen. Doch sie bieten auch eine Chance: Unternehmen, die frühzeitig auf die Anforderungen reagieren, können sich Wettbewerbsvorteile sichern und von der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Immobilien profitieren. Die Hürde für Unternehmen besteht darin, überhaupt Transparenz zu schaffen, wie „grün“ das Portfolio ist, und dann geeignete Schritte einzuleiten, um ihre Bestandsgebäude durch Sanierungs- und Effizienzmaßnahmen taxonomiekonform zu bekommen. Entscheidend hierfür ist allerdings die Etablierung transparenter Analyse- und Berichtsmechanismen.
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*) Anna Bernhart, Management Member, EPH European Property Holdings PLC, Dipl.-Ing. Klaus Sonnenschein (ÖGNI Consultant) Senior Consultant ESG & Sustainability Drees & Sommer und Claudio Tschätsch, MSc (DGNB ESG Manager, LEED AP BD+C) Leitung ESG und Nachhaltigkeitsberatung Drees & Sommer