Ist der Klimawandel noch zu beherrschen? Wer angesichts der jüngeren Wetterphänomene in Fatalismus verfällt, der verkennt, was alles bereits erreicht wurde: Vor dem Pariser Abkommen, das auf der COP21-Konferenz 2015 verabschiedet wurde, befanden wir uns auf dem Weg zu einem Temperaturanstieg von fünf Grad bis zum Ende dieses Jahrhunderts. Jetzt sind wir auf dem Weg zu etwa der Hälfte davon. Das reicht noch nicht aus, aber es zeigt, dass Kooperation und Erfindergeist etwas bewegen können, aller Unkenrufen zum Trotz.
Warum fällt es uns dann trotzdem so schwer, uns auf Ziele zu einigen und sie durchzusetzen? Manche Akteure in der Wirtschaft warten auf Vorgaben der Politik, anstatt selbst ambitionierte Ziele zu definieren und die Politik ebenso wie den Wettbewerb anzutreiben. Die politischen und regulatorischen Vorgaben entfalten selten Motivation, weil viele Menschen, die heute im Erwerbsleben stehen, zum Zeitpunkt der Zielerreichung längst nicht mehr arbeiten werden. Die Vorgabe, bis 2050 den Wert von Netto-Null bei den CO2-Emissionen zu erreichen, kann kaum jemanden begeistern, der oder die heute Mitte 30 oder älter ist. Wer nicht absehen kann, ob er oder sie 2050 noch Teil des Teams sein wird, der kann den Prozess lediglich anschieben. Das Ziel erreichen werden andere.
Zumindest für den Neubau- und Projektbereich, der im Rahmen von Immobilien-Investments eine wesentliche Rolle spielt, sind ambitionierte Ziele angebracht und auch umsetzbar. Ein Beispiel: Als Real Estate Asset Manager hat sich NREP darauf festgelegt, Netto-Null bis 2028 zu erreichen – also in fünf bis sechs Jahren, und quer über das gesamte Portfolio hinweg. Noch liegen zwar längst nicht alle Lösungen vor, um dieses Ziel zu erreichen. Es dient jedoch als Anreiz, um weiter an neuen und kreativen Lösungen zu arbeiten – und natürlich die heute schon bestehenden Möglichkeiten konsequent zu nutzen und umzusetzen. Dazu gehören zum Beispiel:
• Einbeziehung alternativer Energiequellen: Geothermie ist nicht nur in Island verfügbar, Solarenergie nicht nur in Marokko. Die Themen Energiemix und Energieautarkie sollten bei jedem Projekt Berücksichtigung finden.
• Alternative Baumaterialien: Wer heute mit Holz und Holzwerkstoffen anstatt mit Beton bauen möchte, der muss zum einen neue Lieferketten aufbauen. Insbesondere Holz aus regionalem Anbau ist oft schwer zu finden. Zum anderen sind längst nicht alle Bauordnungen auf der Höhe der Zeit oder des technisch Machbaren, was Genehmigungsverfahren erschweren und verzögern kann.
• Wiederverwertung von Baumaterialien: Recycling schont Ressourcen und vermeidet Müll. In der Immobilienbranche ist das immer noch eine neue Erkenntnis. Neue Projekte zeigen auf, wohin der Weg führt. Ein Beispiel stellvertretend für viele: Das Bürogebäude Augustus in Kopenhagen hat eine Außenhaut aus wiederverwerteten Ziegeln und eine Innenverkleidung aus wiederverwertetem Holz.
• Optimierte Flächennutzung: Künstliche Intelligenz nutzt und gestaltet verfügbare Flächen attraktiver, als es der Mensch kann. Sie kann dabei unterstützen, Wohnraum stärker am Bedarf der Bewohnerinnen auszurichten, mehr Tageslicht in die Wohnungen zu bringen und auf derselben Grundfläche mehr Wohnraum zu schaffen. Sie reduziert so Flächenverbrauch, Materialaufwand und Energiebedarf.
• Isolierung: Moderne Technologie kann dabei helfen, Lücken und Luftdurchlässe zu identifizieren und zu minimieren. Die Verbesserung der Gesamt-Isolierung senkt den Energiebedarf.
• Neuartige Materialien – zum Beispiel Beton aus CO2: Mit CO2 versetzter Beton ist härter als Standard-Beton. Das Verfahren senkt den Materialbedarf, bindet CO2 und steigert die Langlebigkeit des gesamten Gebäudes.
Ein Ziel wie „Netto-Null 2028“ entfaltet Druck auf alle Beteiligten: Die Belegschaft muss sich stärker einsetzen, um das Ziel zu erreichen. Die Politik erhält einen Hinweis, was in der Branche machbar und möglich ist, und kann ihre Vorgaben entsprechend kalibrieren. Und der Wettbewerb sieht sich vor die Entscheidung gestellt, ob er ein ähnlich ambitioniertes Ziel definieren will. Untätigkeit ist dabei voraussichtlich keine Option, denn je mehr Unternehmen auf die Überholspur wechseln, desto mehr drohen die auf der rechten Spur verbliebenen Unternehmen abgehängt zu werden.
Ist das Ziel verankert, so können Zwischenziele die Motivation weiter steigern und zugleich eine Erfolgskontrolle ermöglichen. Ein solches Zwischenziel wäre etwa eine definierte Senkung des CO2-Abdrucks aller Gebäude im Portfolio, wobei Emissionen nach Errichtung und Betrieb der Gebäude gestaffelt festgelegt werden sollten. Wichtig ist die Fertigstellung von Leuchtturmprojekten, die einerseits die Gesamtbilanz des Unternehmens positiv beeinflussen und andererseits innovative Technologien und Lösungen ins rechte Licht setzen können. Nachahmer-Effekte sind dabei eindeutig erwünscht.
Eine interne CO2-Steuer kann dabei helfen die Kosten der Verwendung fossiler Energieträger für das Unternehmen zu beziffern und dazu beitragen Innovationen voranzutreiben. Nur vier Prozent aller Unternehmen in der Immobilienbranche haben bislang eine solche Steuer eingeführt. Die Branche liegt damit weit hinter anderen Sektoren zurück.
Der Immobiliensektor war bislang kein Antreiber der Klimaschutzbewegung, aber er hat die Möglichkeit, eine aktive Rolle einzunehmen und einen Platz im vorderen Feld der Bewegung einzunehmen.
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*) Mikkel Bülow-Lehnsby ist Vorsitzender des Verwaltungsrats von NREP und einer der Gründer von NIO Partners (Nordic Investment Opportunities). NREP mit Sitz in Kopenhagen ist der größte Immobilien-Asset-Manager Skandinaviens mit 17,8 Mrd. Euro AuM. Marc Dellmann mit Sitz in Zürich ist Chief Sales Officer von NIO Partners und ebenfalls für die DACH-Region verantwortlich. Neben breit diversifizierten Multi-Asset-Anlagelösungen bietet NIO präferierten Zugang zu speziellen und zeitgemäßen Themen wie Renewable Energy, Sustainable Real Estate oder Impact-Private-Equity-Anlagelösungen – spezifisch für kleinere institutionelle Investoren, Banken und Vermögensverwalter.