In der Folge haben sich die Asset- und Property Management Gesellschaften nicht nur immer weiter professionalisiert, sie decken zudem immer größere Servicespektren ab und das unter stetiger Erhöhung der Standards. Diese an sich positive Entwicklung hat einen großen Nachteil: Seit einigen Jahren zeigt sich immer stärker, dass Gewerbeimmobilien über die Prozesskette hinweg „overmanaged“ werden. Beschwert sich ein Mieter beispielsweise über einige zerbrochene Pflastersteine in der Objekteinfahrt, kann es durchaus vorkommen, dass der Vorgang zwischen den einzelnen Immobilienspezialisten auf Facility-, Property- und Asset Management Ebene viele Male weitergegeben und nach dem Stille-Post-Prinzip bei jeder Weitergabe ein wenig anders interpretiert wird. Das Resultat: Beim Investor oder Eigentümer kommt die Nachricht an, dass die gesamte Auffahrt für mehrere hunderttausend Euro saniert werden muss.
Perfektionsdruck sorgt für Doppelstrukturen
Was zunächst sehr unverständlich klingen mag, erklärt sich relativ schnell durch den Perfektionsdruck, der sich angesichts der komplexen und schwierigen Situation für Gewerbeimmobilien potenziert: Vom Asset Manager über die Kaufmännischen und Technischen Property Manager bis hin zum externen Facility Manager versucht jeder, alles richtig zu machen, so gründlich wie möglich vorzugehen und nur keinen Fehler einzubauen. Letztlich entstehen dadurch Doppelbearbeitungen beziehungsweise Doppelstrukturen – beispielsweise, wenn eine Dienstleistung sowohl vom Property Manager als auch vom externen Facility Management Spezialisten abgedeckt wird.
Dieses Szenario erinnert ein wenig an ein Flugzeugcockpit vor dem Abflug: Pilot und Copilot gehen ihre jeweiligen Checklisten durch – und nur wenn ein Punkt beiderseits abgehakt werden kann, ist die Crew bereit für den nächsten. Der Unterschied ist jedoch, dass diese Redundanzen im Flugbetrieb ein wichtiger Sicherheitsfaktor sind, im Immobilienmanagement jedoch für Effizienzverluste sorgen. Allzu oft werden Maßnahmen selbst dann umgesetzt, wenn ein Teil dieser Schritte überhaupt keinen Mehrwert für den Investor oder den Mieter bringt. Zudem kann eine penible, aber zu langsame Dokumentationskultur den Informationsfluss abreißen lassen oder den Fokus vom Wesentlichen ablenken. Das Grundproblem besteht darin, dass jeder einzelne Akteur vom Asset- bis zum Facility Manager – oder umgekehrt – bei einem konkreten Problem seine eigene Bedeutung beimessen will. Dadurch geht oftmals die Zielstellung der eigentlichen Aufgabe oder des eigentlichen Investoren- oder Mieterinteresses verloren.
Schlüsselfaktor Flexibilität
Jedoch ist besonders bei komplexen technischen oder kaufmännischen Aufgaben, wie beispielsweise der Neupositionierung eines Objekts auf dem Markt, ein interdisziplinärer Ansatz unbedingt notwendig. Hierbei wäre es äußerst problematisch, wenn Aufgaben einfach „abgearbeitet“ werden, ohne thematisch nach links und rechts zu schauen und Verbesserungspotenziale aufzudecken. Zudem steigen die Reporting-Standards für Investoren stetig, die einzelnen Angaben werden immer umfangreicher und detaillierter. Mehrstufige Servicekonzepte und eine detaillierte Dokumentation sind daher so relevant wie nie zuvor.
Um diesen scheinbaren Widerspruch zwischen Serviceanspruch und Overmanagement zu lösen ist vor allem die Flexibilisierung in den Strukturen nötig: Wer wie lange und an welchem Zeitpunkt in einen bestimmten Prozess involviert sein muss, richtet sich nach der konkreten Bedarfssituation des Kunden – und nicht nach den eigenen Checklisten beziehungsweise Routinen.
Die Schnittstelle gegen zu viele Schnittstellen
Das wichtigste Hilfsmittel dabei ist eine konsequente, prozessorientierte Digitalstrategie. Denn nur wenn eine einheitliche Plattform als Schnittstelle existiert, kann verhindert werden, dass sich von Glied zu Glied der Wertschöpfungskette die Interpretation des Auftrags verändert. Stattdessen werden die einzelnen Spezialisten zu bestimmten Zeitpunkten hinzugezogen, wobei dies transparent für alle Beteiligten sein muss. Beim eingangs erwähnten Beispiel der defekten Pflastersteine würde sich beispielsweise der Facility Manager früher oder später zu Wort melden, wenn für ihn ersichtlich wird, dass im Asset- oder Property Management falsche Informationen weitergegeben werden.
Diese Forderung nach einer Schnittstelle gegen zu viele Schnittstellen mag banal klingen, jedoch scheitert die Umsetzung allzu häufig an Detailfragen. Entweder, weil die einzelnen Akteure ihre Daten nicht über die Unternehmensgrenzen hinweg zur Verfügung stellen wollen, oder aber, weil die Dringlichkeit dieses Themas nicht erkannt wird. Schließlich haben die meisten Immobilienmanagement-Gesellschaften in den vergangenen Jahren eine Qualitätsoffensive gestartet und ihre Services verbessert – allerdings nutzt dies dem Kunden nur wenig, sobald mehrere Akteure ins Spiel kommen, die aneinander vorbeireden oder überflüssige Aufgaben erledigen.
Wie bei so vielen Themen gibt es auch bei dieser Frage nach effizienten – und bestenfalls internationalen – digitalen Schnittstellen zwei Phasen. Erstens die der Misserfolgsvermeidung: Zunächst muss das Overmanagement reduziert werden. Auf Basis eines funktionierenden digitalen Ökosystems lassen sich dann in der zweiten Phase Performancesteigerungen erreichen, indem das Wissen unter anderem aus jedem einzelnen Projekt gesammelt und auf Portfolioebene nutzbar gemacht wird. Dies wäre zumindest eine Teilantwort auf den stetig steigenden Renditedruck, dem auch die aktuelle Coronakrise wenig anzuhaben scheint.
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*) Heiko Dietel, Geschäftsführer IC Asset Management GmbH