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Kommentar: Warum sich das S in ESG für Investoren mindestens genauso lohnt wie das E

In der Immobilienwelt werden die Buchstaben E, S und G zunehmend als Maßstab für nachhaltige Investitionen betrachtet. Doch gerade im institutionellen Bereich zeigt sich, dass die Priorität häufig auf der ökologischen Komponente liegt. Investoren setzen große Summen für Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ein, um gesetzliche Vorgaben zu erfüllen und so den Wert ihrer Bestände zu steigern. Doch was, wenn sich die Verschiebung des Fokus auf das S, die soziale Komponente, als der wirtschaftlichere Hebel erweist?

Ulf Schauenburg

Ökologische Maßnahmen allein sind risikoanfälligere Investitionen
Die Bau- und Sanierungsbranche steht an einem Wendepunkt, an dem die bisherigen Ansätze der Energieeffizienzsteigerung an ihre Grenzen stoßen. Es wird zunehmend klar, dass Klimaschutz allein durch bauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz schlicht nicht leistbar ist. Der massive Kapitaleinsatz, der für solche Maßnahmen erforderlich ist, zeigt nur begrenzte Wirkung, wenn parallel grundlegende Ziele wie die Reduktion von CO2-Emissionen nicht im Fokus stehen. Gleichzeitig riskieren wir, dass dieser Ansatz Kapital bindet, das an anderer Stelle deutlich effizienter eingesetzt werden könnte.

Denn das zentrale Problem liegt in der Unsicherheit: Investitionen in ökologische Maßnahmen, speziell im Bereich Energieeffizienz, sind anfällig für den schnellen Wandel technologischer und regulatorischer Rahmenbedingungen. So war es vor einigen Jahren noch gängige Praxis, Fassaden immer dicker zu dämmen, um die Energieeffizienz zu steigern. Doch inzwischen gibt es wesentlich günstigere und wirkungsvollere Alternativen.

Gleichzeitig zeigt sich ein Zielkonflikt zwischen kapitalintensiven Sanierungen und bezahlbaren Mieten: Hohe und eng getaktete Investitionen in energetische Maßnahmen können Mieter überproportional belasten.

Wenn also weiterhin ausschließlich auf bauliche Effizienzmaßnahmen gesetzt wird, wird die Chance verpasst, das Kapital strategischer zu nutzen. Stattdessen brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz, der neben dem E in ESG – die ökologische Dimension – auch die sozialen Aspekte (S) stärker einbezieht.

Das Potenzial des S: Social Impact mit wirtschaftlichem Mehrwert
Während ökologische Maßnahmen also oft hohe Investitionen erfordern und von regulatorischen Unsicherheiten geprägt sind, punkten soziale Maßnahmen durch Stabilität, Wirksamkeit und einen direkten wirtschaftlichen Mehrwert. Sie schaffen ein positives Mieterumfeld, steigern die Attraktivität von Immobilien und verbessern langfristig deren Wert – bei deutlich geringerem Kostenaufwand.

Denn geringinvestive Maßnahmen, wie barrierefreie Zugänge, Gemeinschaftsflächen oder gesundheitsfördernde Angebote, verbessern mehr als nur die Wohnqualität: Sie belasten die Mieter finanziell weit weniger als umfassende Energieeffizienzmaßnahmen. Gleichzeitig wird ihr positiver Einfluss auf den sozialen Nachhaltigkeitsscore (S-Score) honoriert. So kann das ESG-Rating also effizient gesteigert werden und ein nachhaltiger Mehrwert geschaffen werden, ohne die Mieter unverhältnismäßig zu belasten.

Studien wie der „Process Management Real Estate-Monitor 2023“ zeigen, dass Mieter bereit sind, für soziale Vorteile bis zu 4,3% höhere Mieten zu zahlen. Dies unterstreicht, wie das S nicht nur ein Gegengewicht zum E bildet, sondern auch einen wirtschaftlichen Hebel darstellt. Die Umsetzung von Social-Impact-Maßnahmen ist oft nicht mit großen Investitionen verbunden, sie fördern aber die Mieterbindung.

Soziale Maßnahmen – ein strategischer Ansatz
Um den sozialen Impact zu maximieren, müssen Immobilienbesitzer und -entwickler über den Tellerrand schauen. Es reicht nicht, lediglich das eigene Gebäude zu betrachten – auch das Umfeld muss einbezogen werden. Das Quartier bietet oft Anknüpfungspunkte für soziale Investitionen, die den Gebäudewert steigern. Beispiele sind Kindertagesstätten, gesundheitliche Einrichtungen oder soziale Treffpunkte, die fehlende Angebote im Stadtteil ergänzen.

Sowohl im Bestand als auch im Neubau ist eine quartiersbezogene Planung ein wertbildender Faktor. Wird das S frühzeitig in den Planungsprozess integriert, können viele Maßnahmen vergleichsweise einfach und weniger kostenintensiv umgesetzt werden. Wie im nachhaltigen Bauen ist das frühzeitige Einbeziehen von sozialen Faktoren des Gebäudes und Umfelds für spätere Zertifizierungen oder Reportings zu empfehlen. Zudem bietet es die Chance, gezielt auf die Bedürfnisse des Quartiers einzugehen.

Langfristiger Trend: Das S wird zur Kennzahl
Gesellschaftliche Trends wie Gemeinschaft, Diversität und Well-being sind Treiber sozialer Nachhaltigkeit. Sie sind nicht kurzfristig in Mode, sie sind langfristige Anforderungen, die den Wert von Immobilienprojekten sichern. Im Vergleich dazu ist der ökologische Bereich, das E, oft von regulatorischen Unsicherheiten und technischen Umwälzungen geprägt.

Initiativen wie die EU-Plattform für nachhaltige Finanzen und Scoring-Modelle wie „Livable Places“ arbeiten daran, den sozialen Impact messbar zu machen. Die Plattformen helfen dabei, öffentliche Daten zusammen mit den objektspezifischen Daten der Eigentümer auswertbar zu machen. Es empfiehlt sich jedoch, nicht nur bei den Verbrauchsdaten für das E die Hausaufgaben zu machen und Daten zu sammeln und aufzubereiten, sondern auch beim S frühzeitig damit zu beginnen – beispielsweise durch Angaben zur Barrierefreiheit von Wohnungen, zur Entwicklung der Mieterstruktur oder durch die Durchführung von Mieterumfragen. Somit wird das S bald von einem Softfaktor zu einer handfesten wirtschaftlichen Kennzahl, die Investoren bei der Bewertung ihrer Rendite berücksichtigen sollten.

Fazit: Social Impact als strategischer Vorteil
Investoren, die heute auf das S setzen, profitieren von geringeren Risiken und langfristiger Stabilität. Soziale Maßnahmen verbessern das Mieterumfeld und sind zugleich ein starker Hebel zur Wertsteigerung von Immobilien. Anders als bei ökologischen Maßnahmen besteht zudem eine größere Planbarkeit – und oft ein unmittelbarer wirtschaftlicher Mehrwert. Das S ist damit keine moralische Verpflichtung, sondern eine smarte Investmentstrategie, die sich auf der Rechnung bemerkbar macht.

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*) Ulf Schauenburg, Geschäftsführender Gesellschafter von FRANK