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Kommentar: Wieviel „ESG“ steckt in einem Immobilienfonds?

Das Thema ESG (ökologisch, sozial, Unternehmensführung) wird institutionelle Immobilieninvestoren noch lange Zeit intensiv beschäftigen. Zu viele Fragen sind offen und die Regularien für Immobilienfonds weiterhin vage. Nicht wenige Marktteilnehmer fragen sich, wie nachhaltige Immobilienfonds künftig aussehen müssen und ob nicht-nachhaltige Fonds überhaupt noch erlaubt sein werden. Nach und nach lassen sich erste Merkmale erkennen und vorsichtig einschätzen. Vor allem die EU-Verordnungen zur Taxonomie und Offenlegung bieten Ansatzpunkte. Am Beispiel des offenen Spezial-AIF Warburg-HIH Zukunft Invest, der ausschließlich in Kita-Immobilien investiert, schauen wir uns an, wo und wie die ESG-Systematik ansetzt.

Alexander Eggert (copyright: Warburg HIH Invest)

Um das Zusammenspiel der Verordnungen zur Taxonomie und Offenlegung zu verstehen, muss man deren unterschiedliche Ansätze betrachten: Die Taxonomie ist ein Instrumentarium, mit dem die Nachhaltigkeit anhand fester Kriterien gemessen werden soll. Die Offenlegungsverordnung regelt, welche Transparenzpflichten im Bereich ESG erfüllt werden müssen. Wichtig ist, dass sich die Offenlegungspflichten für bestimmte Finanzprodukte unterscheiden.

Unterschied zwischen Artikel 8- und Artikel 9-Produkten
Neben „Sonstige Finanzprodukte“ gibt es „Finanzprodukte mit ökologischen oder sozialen Merkmalen“ (nach Artikel 8 Offenlegungsverordnung) und „Nachhaltige Finanzprodukte mit einem definierten Nachhaltigkeitsziel“ (nach Artikel 9 Offenlegungsverordnung).

Finanzprodukte nach Artikel 8 berücksichtigen ökologische oder soziale Merkmale in der Investitionsentscheidung oder der Anlagestrategie. Finanzprodukte nach Artikel 9 besitzen ein angestrebtes Nachhaltigkeitsziel, wie zum Beispiel die Reduktion von CO2-Emissionen. Der Unterschied zwischen Artikel 8 und Artikel 9 zeigt sich auf der Produktebene. Es kommt darauf an, wie die Fondsstrategie ausgestaltet und wie diese vermarktet wird.

Es wird auch künftig Fonds geben, welche nicht unter Artikel 8 oder Artikel 9 der Offenlegungsverordnung fallen. Dabei handelt es sich um Anlagevehikel, die auf der Produktebene keine ESG-Ziele haben oder ESG-Strategien bewerben. Diese Finanzprodukte sind ausdrücklich nicht verboten. Der Anbieter muss allerdings künftig offenlegen, dass sein Fonds keine Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt.

Es ist noch abschließend zu klären, wie konkret die Abgrenzung zwischen sonstigen Fonds und Artikel-8-Fonds erfolgen soll; das gilt ebenso für die Abgrenzung zwischen Artikel-8- und Artikel-9-Fonds.

Bei den nachhaltigen Fonds werden also anhand der Offenlegungsverordnung zwei Gattungen unterschieden: Die sogenannten ESG-Strategiefonds, auch als Artikel-8-Fonds bezeichnet, und die sogenannten Impact-Fonds, auch Artikel-9-Fonds genannt. Wichtig ist, dass die Produktmerkmale bzw. die Zielerreichung der Nachhaltigkeitswirkung möglichst anhand von Indikatoren quantifiziert und mit einem Index oder einer Benchmark verglichen werden sollen. Das ist, wie später noch erläutert wird, eine große Herausforderung.

Strategie oder doch Impact?
Schauen wir uns zunächst die Strategiefonds an: Hier werden ESG-Kriterien systematisch in die Anlageentscheidung des Fonds einbezogen. Der Fonds formuliert eine Investmentstrategie, die darlegen muss, wie das Anlagevehikel die ökologischen und sozialen Merkmale, mit denen es wirbt, erreicht. Außerdem muss der Fonds angeben, welcher Teil der ESG-Kriterien bei den Ankaufsentscheidungen verbindlich ist und welcher nicht. Des Weiteren muss der Fonds transparent machen, wie die Nachhaltigkeitsstrategie laufend im Investmentprozess umgesetzt wird. Ein Beispiel für ESG-Kriterien wäre der Ausschluss bestimmter Tätigkeiten, die als ESG-widrig wahrgenommen werden.

Anders die Impact-Fonds: Sie streben – neben finanzieller Rendite – aktiv ökologische oder soziale Ziele an. Beispiele sind etwa die Reduzierung des CO2-Ausstosses. Mit anderen Worten: Während ein Strategiefonds Nachhaltigkeit berücksichtigt, zielt ein Impact-Fonds darauf ab, unmittelbar einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit zu leisten.

Ein erstes Fazit ist, dass die Vorgaben der EU sehr anspruchsvoll sind. Final zu beurteilen sind sie erst, wenn die noch ausstehenden Level-II-Verordnungen vorliegen. Diese Ungewissheit bringt ein gewisses Zögern der Marktteilnehmer mit sich, Produkte bereits jetzt als Strategie oder Impact zu klassifizieren.

ESG-Profil bestimmen
Für bereits aufgelegte Immobilienfonds stellt sich die Frage, inwieweit das Produkt die ESG-Merkmale der einen oder anderen nachhaltigen Fondsgattung bereits erfüllt oder künftig in Bezug auf die Taxonomie und die Offenlegungspflicht erfüllen kann. Ein Blick auf den Kita-Fonds der Warburg-HIH Invest als Praxisbeispiel zeigt, dass das ESG-Profil in jedem Fall genau untersucht werden muss, um eine Eingruppierung als ESG-Strategiefonds oder Impact-Fonds ausloten zu können.

So investiert der offene Spezial-AIF Warburg-HIH Zukunft Invest ausschließlich in inländische Kindertagestätten. Damit weist der Fonds ein soziales Merkmal auf:  wichtige Investitionen in die soziale Infrastruktur Deutschlands. Nach wie vor herrscht eine große Betreuungslücke hinsichtlich der Versorgung mit Kitaplätzen. Nach Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstitutes IW Köln fehlen in Deutschland aktuell knapp 320.000 Kitaplätze. Der Immobilienfonds weist damit ein wichtiges soziales ESG-Merkmal auf und erwirtschaftet zugleich langfristige und attraktive Erträge.

Als weitere Grundlagen für die nachhaltigen Immobilieninvestitionen des Kita-Fonds können genannt werden: Die Errichtung von umweltfreundlichen Neubauten nach hohen ökologischen Standards zum Beispiel in Bezug auf den Energieverbrauch sowie der Fokus auf die Erziehung und die Bildung von Kindern. Hinzu kommt die Vereinbarung von Green-Lease-Verträgen. Auch die Nutzung durch gesellschaftsbewusste Mieter dürfte bedeutsam sein, da diese sowohl für ihre gute Personalführung als auch für ihren sozialen Umgang mit Menschen und ihr Engagement zum Wohle der Mitmenschen bekannt sind. Für institutionelle Investoren ist ein Engagement in unseren Kita-Fonds ein Beitrag zu ihrer eigenen ESG-Strategie.

Viele Fragen noch offen
Unsere Aufgabe wird es nun sein, das ESG-Profil der einzelnen Fonds und das damit beworbene Produktversprechen anhand der Taxonomie und der Offenlegungspflichten auszudifferenzieren. Noch ist allerdings unklar, wie die Produktmerkmale von Immobilienfonds bzw. die Zielerreichung der Nachhaltigkeitswirkung anhand von Indikatoren quantifiziert werden können. Da wir verschiedenste ESG-Kriterien bereits berücksichtigen, unterstreicht dies unsere Auffassung, Nachhaltigkeit als Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Anlagevehikel zu sehen. Ein Problem indes betrifft alle Markteilnehmer gleichermaßen: Das Bild ist nach wie vor unvollständig. Keine Frage, das Thema ESG wird uns weiter intensiv beschäftigen.

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*) Alexander Eggert ist Geschäftsführer der Warburg-HIH Invest Real Estate.