Wenige Entwicklungen werden die Zukunft der Immobilienbranche so maßgeblich beeinflussen wie der Klimawandel. Die Branche ist zugleich Betroffener als auch Treiber der Erderwärmung: Aktuell trägt die Immobilien- und Bauwirtschaft mit dem Bau, der Bewirtschaftung und dem Abbruch von Gebäuden fast 40% zu den weltweiten Treibhausgasemissionen bei. In Deutschland liegt der Anteil der Branche an den nationalen Emissionen bei fast 35%.
Gerade im Immobilienbestand schlummert also ein enormes Potenzial, die durchschnittliche globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen – und damit das Pariser Klimaziel zu erreichen. Ohne einen signifikanten Beitrag der Immobilienwirtschaft, insbesondere der Eigentümer und Investoren, ist die Klimawende nicht möglich. Hier besteht momentan zwar noch viel Aufholbedarf, für die Branche eröffnet sich damit allerdings auch die Möglichkeit, zu einem Motor der Transformation zu werden und gleichzeitig die wirtschaftliche Performance ihrer Immobilien langfristig zu sichern und auszubauen.
Klimaneutralität als Wertschöpfungsstrategie
Den Weg zur Klimaneutralität zu beschreiten, heißt auch, Klimarisiken für das eigene Portfolio und Geschäftsmodell zu minimieren und die Resilienz und finanzielle Performance der Assets langfristig zu stärken. Die Immobilienbranche steht vor einer ähnlich umwälzenden Transformation wie zuletzt bei der Elektrifizierung von Immobilien im 19. Jahrhundert: Was einmal ein Vorteil war, wird in naher Zukunft zur Grundausstattung gehören. Ob ein Immobilieninvestment oder eine Immobilie ESG-Kriterien erfüllt, wird künftig ein entscheidendes Kriterium bei der Kauf- oder Mietentscheidung sein. Immobilien, die diese Kriterien nicht erfüllen, drohen hingegen zu „stranded assets“ zu werden – einem Vermögenswert mit dauerhaftem Wertverlust.
Die Umsetzung einer Dekarbonisierungsstrategie mit dem Ziel eines klimaneutralen, nachhaltigen Portfolios ist damit auch eine zukunftsgerichtete Wertschöpfungsstrategie. Sie reduziert das Risiko, dass die Immobilien in wenigen Jahren obsolet werden, antizipiert künftige regulatorische Kosten und Restriktionen für die „license to operate“ und verlängert die Lebensspanne der Immobilien – macht sie damit also zukunftsfest. Mittel- bis langfristig werden nachhaltige Immobilien und Investments – über alle Assetklassen hinweg – auch aus finanzieller Perspektive attraktiver und profitabler sein.
Noch unterschätzen zu viele Marktteilnehmer die Auswirkungen des Klimawandels auf das eigene Geschäftsmodell. Viel zu oft werden die damit verbundenen Risiken für das Immobilienportfolio nur am Rande betrachtet – dabei können sich diese auch unmittelbar auf die Renditen auswirken. Hier stechen vor allem zwei miteinander verknüpfte Risiken hervor: Zum einen direkte physische Risiken für die Immobilien selbst, zum anderen Transitionsrisiken infolge des Übergangs in eine klimaneutrale Wirtschaft. Nicht zuletzt lässt sich zweifellos eine Angleichung zwischen nachhaltiger Performance und finanzieller Performance finden, da Erfolge bei der Reduzierung des CO2-Fußabdrucks es Investoren auch ermöglichen, ihr Green Financing zu erhöhen, deren Konditionen teilweise an die CO2-Intensität gekoppelt sind.
So sind wenige Güter so stark von extremen Wetterereignisse wie Stürmen oder Überschwemmungen betroffen wie Immobilien. Nach Angaben der Munich Re haben Extremwetterereignisse seit 1980 Schäden in Höhe von rund 4.200 Mrd. US-Dollar verursacht. Es ist davon auszugehen, dass ein Fortschreiten des Klimawandels zu einer Zunahme von Wetterextremen führen wird. Hinzu kommt, dass der prognostizierte Anstieg der Meere mittel- bis langfristig ganze Standorte wie New York oder Hamburg und damit auch die dort verorteten Immobilienwerte gefährden könnte. Unter die Transitionsrisiken fällt wiederum eine zunehmende Klimaregulatorik, die aufgrund des politischen und gesellschaftlichen Drucks in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird. Jüngste Beispiele sind neben einer stärkeren CO2-Besteuerung etwa die im März in Kraft getretene Offenlegungsverordnung sowie die ab 2022 geltende EU-Taxonomie. Hinzu kommen Reputationsschäden infolge des Baus oder Betriebs von klimaschädlichen Immobilien – das umfasst auch die Nicht-Berücksichtigung der sozialen oder Governance-Kriterien. Diese sind insbesondere infolge der Pandemie stärker im Fokus.
Mitigation des Klimawandels und Adaption an Folgen sind Schlüsselfaktoren
Um diese Risiken bestmöglich zu erfassen und zu minimieren, müssen Bestandshalter und Investoren besonders auf die Mitigation des Klimawandels sowie die Adaption der Assets an dessen Folgen fokussieren. Während ersteres vor allem die deutliche Reduktion der Kohlenstoffemissionen beim Bau, Betrieb und Abriss der Immobilien beinhaltet, geht es bei letzterem darum, die Resilienz und Anpassungsfähigkeit der Immobilien an ein sich wandelndes Klima sicherzustellen.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität sind vor allem drei Stellschrauben zentral: Die Reduktion des Energieverbrauchs; die Umstellung auf erneuerbare und saubere Energiequellen; und die Entwicklung von klimaneutralen Immobilien, worunter auch die Verwendung nachhaltiger Baustoffe fällt. So wird etwa die Verbesserung der Energieeffizienz unserer Immobilien zu einer Reduktion der CO2-Emissionen unseres Portfolios um mehr als 20 Prozent beitragen. Einen ähnlichen Anteil wird die Umstellung auf nur noch klimaneutrale Projektentwicklungen beisteuern, worunter sowohl der Bau als auch der Betrieb der dann fertiggestellten Immobilien fällt.
Eine Dekarbonisierungsstrategie sollte dabei einen integrierten, ganzheitlichen Ansatz verfolgen, der die Zielsetzung der Klimaneutralität auch mit der Investmentstrategie und Immobilienfinanzierung verwebt. So sollte für jede Transaktion eine Analyse von Klimarisiken und der daraus resultierenden Auswirkungen auf den CO2-Fußabdruck des Portfolios – und die Reduktionsziele – vorangehen. Hinzu kommen regelmäßige Analysen des Bestandsportfolios im Hinblick auf die Exposure einzelner Assets gegenüber Klimarisiken.
Transformation als technologischer Innovationstreiber
Eine wichtige Rolle spielen dabei neue Technologien und die Sammlung und Auswertung von Daten, etwa um den Energieverbrauch effizienter und intelligenter steuern zu können. Das würde es beispielsweise ermöglichen, anhand des Nutzerverhaltens in einer Büroimmobilie den Heizbedarf punktgenau anzupassen und so den Energieverbrauch zu optimieren. Kooperationen und Partnerschaften mit innovativen Proptechs können dabei unterstützen, diesen technologischen Ansatz zu beschleunigen.
Viele dieser technologischen Anwendungen lassen sich kostensensibel in Bestandsgebäuden realisieren und werden die Aufenthaltsqualität in vielen Immobilien verbessern und so auf das Well-Being der Nutzer einzahlen. Insofern ist die notwendige Transformation zu einem klimaneutralen Immobilienbestand damit auch eine Chance für Innovation und technologische Weiterentwicklung, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen wird und die langfristige Attraktivität einer Immobilie sichert.
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*) Stéphane Villemain, Vice-President, Corporate Social Responsibility bei Ivanhoé Cambridge