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Gastbeitrag: Zweites Betriebsrentenstärkungsgesetz

Die Förderung von Investitionen in Infrastrukturprojekte und Risikokapital droht aufgrund zahlreicher Rechtsunsicherheiten wirkungslos zu bleiben.

Alexander Vogt

Dr. Lukas Hüttemann

Höhere Betriebsrenten bei Pensionskassen sind das erklärte Ziel des aktuell kursierenden Referentenentwurfs. Dies soll mit regulatorischen Erleichterungen für deren Kapitalanlage in Infrastrukturprojekte und Risikokapital erreicht werden, also Investitionen, die ohnehin gesellschaftlich dringend benötigt werden – ein Win-Win. Aufgrund erheblicher Rechtsunsicherheiten im aktuellen Gesetzesentwurf droht eine Chance verpasst zu werden, privates Kapital dahin zu lenken, wo es dringend benötigt wird und den Staatshaushalt entlasten kann.

Am 27. Juni 2024 ist der Referentenentwurf (Ref-E) des zweiten Gesetzes zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (sog. 2. Betriebsrentenstärkungsgesetz) zur Stellungnahme an einschlägige Fachverbände gegangen. Der Ref-E fügt sich ein in die aktuelle gesellschaftliche und politische Debatte über die Tragfähigkeit des gesetzlichen Rentenmodells. Die betriebliche Altersversorgung ist eine Form der Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung, die nach dem Willen der Ampel nun gestärkt werden soll. Die avisierte Maßnahme zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung ist eine geplante Erweiterung der Anlagevorschriften für Pensionskassen. Hierfür soll das für diese Form der kapitalgedeckten Rente einschlägige regulatorische Regelwerk, die sog. Anlageverordnung (AnlV), flexibilisiert werden.

Pensionskassen sind nach der AnlV verpflichtet, ihre Anlagen zum einen nach allgemeinen und besonderen Eligibilitätskriterien auszusuchen und zum anderen zu mischen, d.h. in unterschiedliche Anlageklassen zu investieren. Für verschiedene Anlageklassen sind bestimmte Quoten vorgesehen, um nach einem gesetzlichen Leitbild aufzubauen ein breit diversifiziertes Portfolio ohne Übergewichtungen einzelner Anlageklassen aufzubauen.

Der Ref-E sieht zwei Änderungen vor, die zusammen einen durchaus wesentlichen Einfluss auf die künftige Zusammensetzung und Risikoneigung der Vermögensanlage bei Pensionskassen haben dürften:

1. Anhebung der sog. Risikokapitalquote: Den Vorgaben der AnlV folgend besteht das anzulegende Vermögen deutscher Pensionskassen bisher zu maximal 35% (und damit zu einem erheblich geringeren Anteil als bei vielen vergleichbare Investoren im Ausland) aus Eigenkapital und eigenkapitalähnlichen Investments. Der Ref-E sieht eine Anhebung der Risikokapitalquote auf 40% vor. Das ist begrüßenswert und bedeutsam. Denn die Risikokapitalquote definiert das maximal zulässige Exposure aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Anlageklassen – u.a. aus gelisteten Aktien, Beteiligungen, Genussrechten, nachrangigen Darlehen sowie aus Kredit- und Hedgefonds. Die Anhebung der Risikokapitalquote würde mehr Flexibilität im Bereich der Eigenkapital und eigenkapitalähnlichen Investments eröffnen – und damit eine höhere Rendite ermöglichen.

2. Einführung einer neuen Quote für direkte und indirekte Anlagen zur Finanzierung von Infrastrukturprojekten vor (sog. Infrastrukturquote): Anlagen, die die Kriterien der Infrastrukturquote erfüllen, sollen im Umfang von bis zu fünf Prozent des anzulegenden Vermögens nicht auf eine andere Quote angerechnet werden. Auch diese Änderung ist sehr zu begrüßen, zumal der Ausbau der Infrastruktur z.B. im Bereich der erneuerbaren Energie eine grundlegende Voraussetzung für das Erreichen der CO2-Neutralitätsziele ist und dafür zwingend und dringend Investitionen aus der Privatwirtschaft nötig sind. Zudem sind Infrastrukturinvestments oft sehr langläufig und damit gut für die Anlageziele von Pensionskassen geeignet, nämlich die Deckung von langfristigen Pensionsrisiken. Ferner würden neue Spielräume für die Portfolioallokation bei Pensionskassen eröffnet, da insoweit Infrastrukturanlagen, andere Quoten – etwa auf der Quote für Anlagen in Unternehmensbeteiligungen – zugerechnet werden, könnten auf die neue Infrastrukturquote umallokiert werden und damit „Platz“ für neue quotenspezifische Anlagen (z.B. in Private Equity und Private Debt) schaffen. Addiert man hierzu die Anhebung der Risikokapitalquote um 5%, könnte man von einer Erhöhung der Risikoneigung um satte 10% sprechen.

Die geplanten Änderungen der Regelungen für die Kapitalanlage von Pensionskassen sind zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, höhere Renditen und damit höhere Betriebsrenten bei Pensionskassen zu erzielen, durchaus vielversprechend. Gravierend ist allerdings der erforderliche handwerkliche Nachbesserungsbedarf, damit dieses Ziel aufgrund von Rechtsunsicherheiten nicht verfehlt wird.

Nach dem derzeitigen Gesetzeswortlaut ist ein Infrastrukturprojekt ein Projekt „zur Bereitstellung, zum Ausbau, zum Betrieb oder zur Erhaltung eines umfangreichen Vermögenswerts.“ Die Definition ist der deutschsprachigen Fassung der europäischen Anti-Steuervermeidungsrichtline (ATAD) entliehen, wobei die Definition dort im Kontext eines für Mitgliedsstaaten optional umzusetzenden Aspekts fällt, der letztlich nicht in das deutsche Recht implementiert und dort daher auch keine weitere Konkretisierung erfahren hat. Dabei ist eine praktikable Definition des Begriffs zentral, um die geplanten Spielräume bei der Kapitalanlage künftig nutzen zu können. Erläutert wird der Begriff des „Vermögenswerts“ in der Gesetzesbegründung wenig hilfreich mit einem wiederum unbestimmten Rechtsbegriff. Demnach sollen Vermögenswerte gemeint sein, „die als im allgemeinen öffentlichen Interesse stehend anzusehen sind“. Welche im öffentlichen Interesse stehende Vermögenswerte sollen aber nun von der Infrastrukturquote umfasst sein? Stehen in Zeiten der Energietransformation etwa Unternehmen, die Kohlekraftwerke oder Tankstellen für Verbrennermotoren betreiben, im öffentlichen Interesse? Oder sind Anlagen in solche Unternehmen derzeit noch im öffentlichen Interesse, aber bald nicht mehr? Zählt schon ein privater Solaranlagehersteller oder ein Automobilhersteller als Infrastrukturprojekt und steht die Anlage in den Automobilhersteller nur dann im öffentlichen Interesse, wenn dieser etwa einen gewissen Anteil an Elektrofahrzeugen oder eigene Batterien herstellt? Stehen mit Blick auf das De-Risiking oder gar De-Couplings von China Anlagen in chinesische Projektbetreiber im öffentlichen Interesse?

Außerdem: Ab welcher Schwelle soll ein Vermögenswert zu einem „umfangreichen“ Vermögenswert qualifizieren? Dieser in der deutschsprachigen Fassung von ATAD gewählte Begriff für „large-scale asset“ (so lautet der relevante englische Terminus in ATAD) mutet nicht nur sperrig an, die Gesetzesbegründung gibt auch keinen näheren Aufschluss zur Interpretation dieses Begriffs. Erfordert nun etwa die Anlage in einen Windparkbetreiber eine Mindestzahl an betriebenen Windkraftanlagen, damit der Windparkbetreiber als „umfangreicher“ Vermögenswert qualifiziert?

Unklar bleibt letztlich auch die Passage in der Gesetzesbegründung, wonach der Projektbetreiber in einem Staat nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Anlageform ansässig und der betriebene Vermögenswert in eben diesem Staat belegen sein soll. Das verpflichtende geographische Zusammenfallen von Ansässigkeit des Projektbetreibers und Belegenheitsort des Infrastrukturprojekts wird mit Blick auf die europarechtlich verankerte Dienstleistungsfreiheit wohl kaum gemeint sein. Oder sollen wirklich solche Anlagen nicht unter die Infrastrukturquote fallen, in denen zum Beispiel ein deutscher Projektbetreiber für ein Infrastrukturprojekt im EU-Ausland tätig wird? Wie ist diese Passage im Ref-E außerdem für indirekte Anlagen, etwa über Investmentfonds, zu verstehen, wo es im regulatorischen Rahmenwerk gar keine Anforderungen an die Ansässigkeit des Projektbetreibers gibt?

In dieser Form droht das Gesetzesvorhaben in der Praxis wirkungslos für vermehrte Investitionen in Infrastrukturprojekte zu bleiben. Mit Blick auf die konkreten Rechtsrisiken, die für Pensionsfonds mit einer Fehlinterpretation der geänderten AnlV einher gehen würden, steht zu befürchten, dass die geänderten Anlagevorschriften von Pensionsfonds nur eingeschränkt gelebt werden würden. Ganz gleich, wie man die oben aufgeworfenen Fragen beantworten mag, Rechtsklarheit schaffende Nachbesserungen würden dem gesetzgeberischen Anliegen die passenden (und im öffentlichen Interesse notwendigen) Flügel verleihen.

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*) Alexander Vogt, Partner im Fachbereich Investmentfonds und Dr. Lukas Hüttemann, Managing Associate im Fachbereich Investmentfonds bei Linklaters LLP in Frankfurt