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„Wohlhabende Vermögensinhaber sehen ihren Wealth Manager teilweise lediglich als Custodian ihres Vermögens“

Der Finanzplatz Schweiz ist weltweit bekannt als Center of Competence in den Bereichen Wealth Management und Private Banking. Markus Hill* sprach für IPE D.A.CH mit Markus Schwingshackl, Centro LAW, über Trends in der Branche, Family Offices und Vermögensplanung, die Rolle von Anwälten in diesem Segment und über die zunehmende Bedeutung der Themen Alternative Investments, Kunst und Digital Assets. Zusätzliche Themen wie Strafverteidigung, „Startups & Blockchain“ sowie die Leidenschaft für Streetart, Design und Kreativität waren ebenso Inhalt des Gespräches.

Markus Schwingshackl

IPE D.A.CH: Sie sind als Rechtsanwalt in den Bereichen Vermögensplanung und Family Office tätig. Wie sehen Sie den aktuellen Zustand der Wealth Management und Private Banking Industrie?
Schwingshackl: Im Umbruch, da man neuen und anspruchsvolleren Kundenerwartungen gegenüber steht. Lange waren Wealth Manager die einzige Anlaufstelle für alle Vermögensbelange wohlhabender Kunden. Ihr Private Banking konnte sozusagen alles, obgleich vieles nicht mit der möglichen und teilweise notwendigen Spezialisierung angeboten wurde. Mittlerweile haben Vermögensinhaber Zugang zu einer Fülle von Informationen, was zu höheren Erwartungen an Angebot und Service führt. Sie sind es aus anderen Bereichen gewohnt, Dienstleistungen von verschiedenen spezialisierten Anbietern zu beziehen, die dann in einer einzigen Benutzeroberfläche nahtlos vereint sind. Wealth Manager bieten solche Ökosystemen aber noch nicht umfassend an, um ein ähnliches Kundenerlebnis zu ermöglichen. Für ihre Vermögensverwaltung suchen sich Vermögensinhaber daher vermehrt die besten Anbieter im Markt, um Dienstleistungen in einem einheitlichen Rahmen zu beziehen, den sie selbst abstecken und kontrollieren. Technologie ermöglicht es, das Management von einzelnen Anlageklassen an verschiedene Dienstleister zu vergeben und trotzdem den gesamthaften Überblick über die Vermögensentwicklung und die entscheidungsnotwendigen Daten zu behalten. Zudem sind die Eintrittshürden für alternative Anlagen in den letzten Jahren niedriger geworden, sodass sich nun modulare und maßgeschneiderte Plattformen für die individuelle Vermögensverwaltung bauen lassen.

IPE D.A.CH: Welche weiteren Veränderungen ergeben sich aus dieser neuen Kundensituation?
Schwingshackl: Wohlhabende Vermögensinhaber sehen ihren Wealth Manager teilweise lediglich als Custodian ihres Vermögens, der sich im Wesentlichen über Solidität und Darlehenskapazitäten differenziert. Zudem lassen sich der Wunsch und die Tendenz beobachten, so viel wie möglich entlang der Wealth Management Wertschöpfungskette selbst abzubilden oder im eigenen Rahmen zu internalisieren. Dies können beispielsweise eigene Private Equity- oder Venture Capital-Teams sein oder auch eine Private Trust Company. Von dort aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Family Office als Verwaltungseinheit zur Erbringung von personalisierten Finanzdienstleistungen für eine gesamte Familie. Man kann auch sagen, Vermögensinhaber übernehmen die Kontrolle über ihr Vermögen in eigenen professionellen Strukturen, denen verschiedene Dienstleister und Produktanbieter unter ihrer Koordination und Aufsicht zuarbeiten. Das ist eine völlig veränderte Situation für alle Beteiligten. Ich würde die Bedeutung des Wealth Managements aber keinesfalls voreilig abschreiben. Zum einen bauen führende Wealth Manager selbst entsprechende Plattformen und Marktplätze für externe Dienstleistungen auf, zum anderen stößt ein Family Office beim Thema Regulierung schnell an seine Grenzen. Wealth Manager haben hier in der Vergangenheit viel Lehrgeld bezahlt und beherrschen das Gebiet mittlerweile entsprechend. Zudem dürften Wealth Manager ihre Dienstleistungen im Bereich Datenspeicherung und Sicherheit ausbauen und hier neue Angebote mit entsprechendem Kundennutzen entwickeln.

IPE D.A.CH: Provokativ gefragt, braucht es angesichts der Fülle von Informationen und Angebote für Vermögensinhaber überhaupt noch Anwälte zur Vermögensplanung?
Schwingshackl: Die Frage ist berechtigt, geht es Anwälten doch ähnlich wie dem Wealth Management, da Kunden die Korrelation von Wert und Preis in Frage stellen. Dem begegnen vermehrt transparentes Pricing und individuelle Paketlösungen, Flat Fees und Bonusmodelle. Ich ziehe solche Modelle dem traditionellen Stundenansatz vor und nehme damit gemeinsam mit meinen Kunden ergebnisabhängiges Risiko. Weiters gilt es neben der rechtlichen und steuerlichen Beratung, Mehrwert für Kunden zu generieren. Dies ist beispielsweise ein mehrstufiger, strukturierter Prozess in der Vermögensplanung, um einen individuellen Rahmen zu schaffen. Das beginnt mit dem Erörtern der Geschichte, der Werte und der Vision einer Familie. Das mag auf den ersten Blick esoterisch erscheinen, ist allerdings an das Produktdesign von Technologieunternehmen angelehnt. Erfolgreiche Technologieunternehmen haben klare Vorstellungen vom konkreten Nutzen ihres Angebots, den Problemen, die sie lösen, der Art und Weise wie sie das tun und einen scharfen Kundenfokus, man nennt das Customer Centricity. Diese Herangehensweise eignet sich hervorragend für die Vermögensplanung. Basierend auf der Geschichte, den Werten und der Vision einer Familie werden die damit zusammenhängenden Bedürfnisse und Erwartungen identifiziert. Diese bringen die nötige Klarheit über den Sinn des Vermögens und binden die ganze Familie ein, um über lange Zeiträume Bestand zu haben. So ermittelt sich auch das optimale Umfeld für die einzelnen Dienstleistungen, indem negative Erfahrungen in die positive Idealvorstellung projiziert werden. Vermögensinhaber entwickeln damit eine Vision für ihr Vermögen und einen konkreten Rahmen für ihr individuelles Wealth Management Setup. Als Anwalt bleibe ich allerdings bei meinen Leisten und arbeite hier mit verschiedenen Beratern wie Governance-Experten und Anlagestrategen zusammen. Meine Aufgabe ist, neben der Koordination, die Betrachtung aller Umstände und Erkenntnisse, um daraus die konkrete rechtliche und steuerliche Umsetzung abzuleiten. Der gesamte Prozess erfolgt in einer cloudbasierten Projektmanagement-Umgebung, die ohne Emails auskommt und den Kunden in Echtzeit den Überblick zu Aufgaben, Kosten und aktuellem Stand ermöglicht. Wir predigen nicht nur Plattformdenken, sondern setzen es als Anwaltskanzlei auch um, indem wir als Netzwerk von unabhängigen Experten agieren.

IPE D.A.CH: Wie sieht die daraus folgende rechtliche und steuerliche Umsetzung von Vermögensplänen und Family Offices aus?
Schwingshackl: Obige Grundlagen und Erkenntnisse werden in einer Value Proposition getestet. Konkret werden alle Dienstleistungen ihrem Nutzen und allfälligen Ersatzmöglichkeiten gegenübergestellt. Am Beispiel eines Family Offices kann man den Einsatz der Value Proposition verdeutlichen. Würden Vermögensinhaber ein Family Office nur auf sich und ihre eigenen Bedürfnisse ausrichten, liefen sie Gefahr, dass Familienmitglieder die Dienstleistungen nicht wie gewünscht annehmen und sich nach Ersatzmöglichkeiten umsehen. Vermögenspläne und Family Offices entstehen so mit dem absoluten Fokus auf beste Performance in realistischen, höchst individualisierten Bereichen unter Einbezug der gesamten Familie. Das heißt auch, wenn keine Aussicht auf herausragende Leistung besteht, wird der beste Anbieter im Markt gesucht, der sich dann in die Struktur integriert. Es gibt in diesem Zusammenhang eine Fülle von rechtlichen und steuerlichen Fragestellungen, die beim Kundenerlebnis aber nicht im Vordergrund stehen sollen. Hierzu vereinen wir führende Experten auf unserer Plattform. Ausschlaggebend ist dabei die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Family Offices und Vermögenspläne werden so multidisziplinär entworfen und umgesetzt. Vermögensinhaber profitieren von Effizienzgewinnen und behalten stets den Überblick und die Kontrolle. Oft übernehmen sie auch die Tools für die Zusammenarbeit und visuelle Darstellung von Prozessen und Ergebnissen.

IPE D.A.CH: Welche Trends sehen Sie derzeit im Wealth Management für große Privatvermögen?
Schwingshackl: Die Investments in alternative Anlagen wachsen ständig. Für private Vermögen besteht allerdings ein Dilemma. Entweder sind die Eintrittshürden für Fonds sehr hoch oder man kämpft mit institutionellen Anlegern um die besten direkten Private Equity Deals. Dies dürften die Hauptgründe sein, warum Privatvermögen und Family Offices vermehrt in Venture Capital investieren. Gründer in Zukunftsbereichen wie Technologie und Healthcare können sich ihre Investoren aussuchen, schätzen aber gerade das geduldige private Kapital und können von der unternehmerischen Erfahrung privater Investoren profitieren. Venture Capital erfordert allerdings spezialisierte Teams, Prozesse und ein entsprechendes Netzwerk, um einen konstanten Deal-flow aufzubauen. Weiterhin sind digitale Anlagen auf dem Vormarsch. Nur wenige möchte den Crypto Goldrausch verpassen und mit zunehmender Regulierung wird die Anlageklasse zu einem ernstzunehmenden Diversifikator in privaten Portfolios. Erneut braucht es ein Netzwerk, Kapazitäten und klare Ausrichtung, um in erfolgreiche Projekte zu investieren. Durch Blockchain Anwendungen ergeben sich bisher nicht vorhandene Möglichkeiten, illiquide Vermögenswerte in Liquidität zu verwandeln und auf neuen Marktplätzen zu handeln. Das Crypto Valley, das die Schweiz und Liechtenstein umfasst, hat mittlerweile über 5.000 Arbeitsplätze im Bereich Blockchain geschaffen und auch der privaten Vermögensanlage innovative Perspektiven eröffnet. So transformieren sich durch die technologische Entwicklung gerade Kunst und Sammlerobjekte in neue Anlagemöglichkeiten. Jüngere Investoren folgen weniger ästhetischen Aspekten, sondern vielmehr dem Wertsteigerungspotential. Kunstpuristen mögen das verpönen, das ändert allerdings nichts an der Verwandlung des Marktes. Mit der Blockchain Technologie lassen sich das Eigentum an Kunstwerken und weitere damit verbundene Rechte digital abbilden, so dass physische und digitale Welt verschmelzen. Dem Austausch von Vermögenswerten scheinen keine Grenzen mehr gesetzt zu sein. Ein intransparenter Markt wird gerade von Millennials erobert und in große Dynamik mit kurzer Haltedauer, beeindruckenden Wertsteigerungen und neuen Kunstformen versetzt.

IPE D.A.CH: Was bewegt Sie neben den Bereichen Family Office und Vermögensplanung sonst noch?
Schwingshackl: Beruflich sorgt meine Tätigkeit als Strafverteidiger für Abwechslung. Dabei fasziniert mich das Spannungsfeld zwischen den individuellen Beweggründen eines Beschuldigten und der objektiven Würdigung der Vorgänge durch ein Gericht. Der Fokus auf Vermögens- und Finanzkriminalität rundet mein anwaltliches Tätigkeitsfeld thematisch ab. Auch inspirieren mich Gründer und Unternehmer, die ich im Begleiten von Private Equity und Venture Capital Transaktionen und in der Beratung von Blockchain Projekten kennenlerne. Wie bei meinen Kunden gibt es interessante und einzigartige Geschichten zu entdecken, die einen gemeinsamen Nenner haben, der mich motiviert: Leidenschaft, Beharrlichkeit und Ausdauer führen zum Erfolg. In meiner Freizeit lebt durch meinen Sohn gerade wieder meine Leidenschaft für Streetart und Design auf und wir verbringen gemeinsam Zeit in Museen und beim Skizzieren. Den aktuellen Umständen geschuldet, halte ich mich noch mehr als üblich in den Alpen auf und bin dankbar, in diesem einzigartigen Teil unserer Welt leben zu dürfen. Dabei begleiten mich neben meiner Sportausrüstung gerne Podcasts und Hörbücher mit den derzeitigen Themenschwerpunkten Biographien und Kreativität.

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info@markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de

Markus Schwingshackl ist Rechtsanwalt und Gründer der Boutique Rechtsanwaltskanzlei Centro LAW in Zürich und unterstützt internationale VermögensinhaberInnen, UnternehmerInnen und ihre Familien bei der Navigation durch die Komplexität von Family Offices, Wealth Planning, Estate Planning und Wealth Management.