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„Besonders Erneuerbare Energien und Infrastruktur Equity erfreuen sich weiter großer Beliebtheit, während Private Debt stärker konsolidiert“

Auch in diesem Frühjahr führten der Placement Agent und Consultant artis Institutional Capital Management GmbH aus Frankfurt am Main und die Rating Agentur Telos aus Wiesbaden nun zum vierten Mail ihre jährliche Studie „Präferenzen institutioneller Investoren bei Immobilien und Alternativen Investments“ durch. Markus Hill* sprach für IPE D.A.CH mit Sebastian Thürmer, artis Institutional Capital Management GmbH, in dem „Teil 1 von 2-Gespräch“ über das Design und die Ergebnisse der Studie, die den Bereich Alternative Investments ex Immobilien betrifft. Themen der Diskussion waren hier zum Beispiel Asset Allokation, Erneuerbare Energien, Infrastructure, Private Equity und Private Debt.

Sebastian Thürmer

Markus Hill

IPE D.A.CH: artis und Telos hatten im Frühjahr 2024 nun zum vierten Mal ihre Studie „Präferenzen institutioneller Investoren bei Immobilien und Alternativen Investments“ durchgeführt. Können Sie uns kurz die neuen Ergebnisse skizzieren?
Thürmer: Wir fragen traditionell sowohl nach der aktuellen als auch nach der zukünftigen Ausrichtung der Themenblöcke Immobilien und Alternative Investments sowie nach der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeit und ESG. Die Teilnehmerzahl war, wie in den Vorjahren, erfreulich hoch. Insgesamt hatten 63 deutsche Institutionelle mit einem Anlagevolumen von 1.100 Mrd. Euro unsere Fragen beantwortet. Die drei größten Anlegergruppen, Unternehmen der Assekuranz, Altersvorsorgeeinrichtungen sowie Banken und Sparkassen stellten 2/3 der Teilnehmer. Das übrige Drittel fiel auf die Gruppe der kirchlichen Einrichtungen und Stiftungen, die Family Offices sowie Industrieunternehmen und SGB IV-Investoren. Insgesamt ergab sich so ein sehr repräsentatives Bild und unterstreicht die Qualität der Umfrageergebnisse.
Auch die 2024er-Studie wurde von den Auswirkungen geopolitischer Konflikte, von Unsicherheit über den Wirtschaftsstandort Deutschland sowie der Dauer-Rezession in Deutschland überlagert. Liquiditätsnahe Investments rücken wieder stärker in den Vordergrund. Alternative Investments halten sich dagegen recht stabil, auch wenn die aktuellen Rahmenbedingungen es erschweren, die Quote noch deutlicher auszubauen. Besonders Erneuerbare Energien und Infrastruktur Equity erfreuen sich weiter großer Beliebtheit, während Private Debt stärker konsolidiert. Private Equity scheint wieder mehr und mehr ins Blickfeld zu geraten. Immobilien hingegen, nahezu unabhängig von Zielregion und Nutzungsart, erleben schwierige Zeiten. Der Leitgedanke Nachhaltigkeit/ ESG genießt weiterhin eine bedeutsame Rolle, insbesondere bei Neuanlagen.

IPE D.A.CH: Lassen Sie uns erst einmal bei den Alternativen Investments bleiben. Haben sich bei der 2024er Umfrage Veränderungen im Vergleich zu den Ergebnissen von 2023 ergeben?
Thürmer: 81% der befragten Anleger sind mittlerweile in alternative Assetklassen ex Immobilien investiert. Über alle Anlegergruppen hinweg lag die AI-Quote bei 10%. Damit liegt diese zwar gesamthaft noch unter der der Immobilienanlagen, aber 2% über den AI-Umfragewerten von 2023. Die Assetklassen Erneuerbare Energien sowie Infrastructure Equity werden sowohl von der Attraktivität als auch bezüglich der Planungen von Neuanlagen für die nächsten 12 Monate sehr positiv eingeschätzt. Private Equity scheint sich nach dem Einbruch im vergangenen Jahr wieder etwas zu erholen, während bei Private Debt noch immer eine deutliche Zurückhaltung spürbar ist. Die wichtigste Botschaft ist aber, dass 63% der befragten institutionellen Anleger ihre AI-Quoten in 2024 weiter ausbauen wollen. Das sind immerhin 7% mehr als bei der Befragung im Jahr 2023.

IPE D.A.CH: In den vergangenen Jahren hatte man das Gefühl, dass der Appetit nach Erneuerbaren Investments seitens institutioneller Anleger etwas gesättigt ist. Was sind denn die Gründe, warum die Attraktivität Erneuerbarer Energien wieder positiver eingeschätzt wird?
Thürmer: Solar- und Wasserprojekte bieten immer noch auskömmliche Renditen bei moderatem Risiko und einem attraktiven Diversifikationseffekt. Allerdings gelten hier mittlerweile sehr strenge Kriterien für die jeweiligen Asset-Management-Gesellschaften. Diese sind: nachweislich Zugänge zu Bestands- und Projektentwicklungen, ein gut etabliertes Netzwerk sowie auch tiefgehende Markt- und Managementkenntnisse. Gründe für den neuerlichen Boom sind sicherlich die anhaltende Nachfrage nach Erneuerbaren Energien, welche nach dem Atomausstieg noch einmal zugenommen hat. Diese Assetklasse zeichnet sich auch durch ein klar definiertes Geschäftsmodell aus.

IPE D.A.CH: Institutionelle Anleger investierten in der Vergangenheit meist in Bestandsobjekte. Erhalten Projektentwicklungen nun in Zukunft mehr Gewicht?
Thürmer: Unserer Umfrage zufolge investieren 44% der institutionellen Investoren auch zukünftig ausschließlich in Bestandsobjekte. 34% können sich Projektentwicklungen als Beimischung zu Bestandsobjekten vorstellen, während 22% auch bereit wären, ausschließlich in Projektentwicklungsfonds zu investieren. Die Bereitschaft, in Projektentwicklungen zu investieren, ist gegenüber 2023 deutlich gestiegen und liegt sogar noch über den 2022er Werten. Dies deutet auf eine gestiegene Risikobereitschaft hin, was sicherlich mit den Renditerückgängen bei Bestandsobjekten in den vergangenen Jahren zu tun hat.

IPE D.A.CH: Die Dominanz im Sektor Energieinfrastruktur scheint ihrer Umfrage zufolge nachzulassen. Welche Bedeutung hat denn zukünftig der Energiesektor im Gesamtkontext der Assetklasse Infrastruktur?
Thürmer: Davon kann keine Rede sein! Energieinfrastruktur ist seit Jahren der Megatrend am Kapitalmarkt. Dieser Sektor steht als Kernstück der Energiewende ganz oben auf der Agenda institutioneller Investoren und wird es sicherlich auch bleiben. Energie-Infrastruktur ist immer noch der dominante Part im Infrastrukturbereich. Das geschätzte Energie-Investitionsvolumen in der Europäischen Union wird innerhalb der nächsten 10-15 Jahre mehrere Billionen Euro ausmachen. So wird sich der Stromverbrauch bis 2050 allein in Deutschland mehr als verdoppeln und hohe Investitionen benötigen. Hauptgründe sind die geplante Elektrifizierung und Mobilität. Stromerzeugung als auch Netzinfrastruktur bleiben in Zukunft wichtige Bausteine. Auf Sicht der nächsten Jahre werden aber Themenfelder wie Energieeffizienz und Speichertechnologien eine noch größere Relevanz einnehmen. Diese Wachstumschancen lässt sich kein institutioneller Anleger entgehen! Neu ist jedoch, dass nach den ersten Gehversuchen im Energiesektor, also nach dem ersten, zweiten oder dritten Investment, auch Infrastruktursektoren wie Verkehr, Digitalisierung oder soziale Infrastruktur mehr Bedeutung einnehmen. Das kann bei der Produktpräferenz zu leichten Verschiebungen führen.

IPE D.A.CH: Verkehrsinfrastruktur ist ein interessantes Stichwort. Passen Verkehrsinvestitionen noch in die Zeit von Nachhaltigkeit bzw. macht es nicht mehr Sinn, die Gelder besser in Digitalisierung zu investieren?
Thürmer: Das klassische Autobahninvestment, wie noch vor 10 oder 20 Jahren üblich, hat nur noch eine untergewichtete Bedeutung. Die Nachfrage orientiert sich eher an nachhaltigen Verkehrsprojekten, z. B. dem Schienenverkehr, also Lokomotiven, Personen- und Güterwaggons oder im Personennahverkehr via Autobusse mit Elektro- oder Wasserstoffantrieben. Noch beträgt beispielsweise der Marktanteil des Schienengüterverkehrs an der gesamten Transportleistung der EU-Länder nur knapp 20%. Diese Leistung wird bis heute mit etwa 800.000 Eisenbahnwagen erbracht, von denen ein erheblicher Teil noch aus den Siebzigerjahren stammt. Entsprechend hoch wird in den nächsten Jahren der Bedarf an Ersatzinvestitionen sein. Ein Viertel der Treibhausgasemissionen in der EU wird derzeit durch den Verkehr verursacht. Allein der Gütertransport auf der Schiene reduziert die Treibhausgasemissionen gegenüber dem Transport auf der Straße per Lkw um durchschnittlich 80%. Die etwa 170 europäischen Eisenbahnverkehrsunternehmen können aber nur dann auf Wachstum setzen und den Klimaschutz forcieren, wenn auch privates Kapital zur Verfügung gestellt wird, denn die meist staatlichen Eisenbahnen leiden unter den leeren Kassen der Staatshaushalte. Hier bieten sich teilweise hervorragende Anlagemöglichkeiten mit echter Nachhaltigkeit und attraktiven Erträgen. 44% der befragten Investoren halten Verkehrsinfrastrukturanlagen für attraktiv und 45% planen demnach auch den Einstieg oder Aufstockungen in diesem Segment. Das deckt sich mit der Pipeline neuer Produkte. Bei Digitalisierung wird die Sektor-Attraktivität mit 25% der Befragten noch etwas zurückhaltender eingeschätzt, obwohl auch hier 42% der Teilnehmer entsprechende Planungen voranbringen wollen. Dies liegt wahrscheinlich an der noch geringen Produktvielfalt. Fakt ist jedoch, dass dieser Sektor in den kommenden Jahren weiter an Beliebtheit zunimmt.

IPE D.A.CH: Die Nachfrage nach Private Equity und Private Debt hat in letzter Zeit spürbar nachgelassen. Ist die Party vorbei oder sehen wir in absehbarer Zeit ein Comeback?
Thürmer: Wie eingangs erwähnt, hat sich Private Equity nach dem Einbruch im vergangenen Jahr in der aktuellen Umfrage wieder erholt. Private Equity ist volumentechnisch eine bedeutende Assetklasse, schließlich investieren deutsche Institutionelle schon seit über 20 Jahren weltweit in Unternehmensbeteiligungen. Private Equity ist keine Nische mehr, sondern ein wichtiger Bestandteil im alternativen Segment. In den vergangenen Jahren flossen erhebliche Neugelder in Private Equity-Fonds. Tatsächlich wird die Attraktivität der Umfrageteilnehmer etwas geringer als noch 2023 eingeschätzt. Daher überraschen die positiven Planungen der Investoren bezüglich Aufstockungen von 10% im vergangenen Jahr auf jetzt 29%. Die eher moderate Markteinschätzung hätte eher eine Investitionszurückhaltung erwarten lassen. Das angestiegene Interesse lässt sich sicherlich auch mit dem neuen Trend „Secondaries“ erklären. Bei Private Debt haben wir eine andere Situation. Insgesamt ist die Einschätzung der Attraktivität der Private Debt-Segmente deutlich eingetrübt. Die Euphorie der vergangenen Jahre ist einer gewissen Skepsis gewichen. Dies betrifft insbesondere den Bereich Real Estate Debt, welcher im vergangenen Jahr einige negative Schlagzeilen produziert hat. Bedingt durch die Entwicklung an den Zinsmärkten sowie deutlich gestiegener Baukosten bei gleichzeitigem Rückgang der Immobilienpreise sind einige Immobilienentwickler ins Wanken geraten, was die Finanzierungsmöglichkeiten deutlich verschärft hat. Aktuell wird der RE-Debtmarkt nur von 9% der befragten Investoren als attraktiv gesehen. Sobald sich die Immobilienmärkte wieder erholen, dürfte auch der Real Estate-Bereich wieder positiver wahrgenommen werden. Besser sieht es bei Infrastructure Debt und Corporate Debt aus. Diese Segmente werden von jeweils 27% der Befragten als attraktiv eingestuft. In puncto Aufstockungen ist Corporate Debt aktuell der Favorit. Banken und Sparkassen werden im Neugeschäft, besonders im Baufinanzierungsbereich, deutlich zurückhaltender agieren, schon aus regulatorischen Gründen, so dass Kreditnehmer und Investoren zukünftig mehr auf alternative Kreditgeber angewiesen sind. Märkte passen sich schnell an, so dass die Renditen aus den gerade beschriebenen Veränderungen, trotz eines fallenden Zinsniveaus, für Investoren weiter ansteigen können.

IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.

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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.

Kontakt: info(at)markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de

Investoren, die Interesse an der Studie haben, können sich unter info(at)artis-icm.de melden.

Link: Paneldiskussion/Video „„Präferenzen institutioneller Investoren bei Immobilien und Alternativen Investments“ (artis, Solvium, Finanzplatz Frankfurt am Main – Mai 2024).