IPE D.A.CH: Warum sollten sich Investoren für Nachranganleihen von Versicherern interessieren? Was macht den Sektor so attraktiv?
Franz: Wir leben in Zeiten von dauerhaft niedrigen Zinsen. Selbst optimistische Schätzungen erwarten nur moderate Zinserhöhungen. Nachranganleihen von Versicherern bieten in diesem Umfeld immer noch dauerhaft höhere Renditen als andere Sektoren. BBB-geratete Anleihen von Versicherungen bieten eine bis zu 100bp höhere Rendite. Dazu wies der Versicherungssektor in den letzten 40 Jahren die niedrigsten Ausfallraten aller Sektoren auf. In Zukunft dürfte sich diese sogar noch weiter verringern, da nach der Einführung des Solvency II Aufsichtsregimes in 2016 die Regulierung noch einmal deutlich verbessert wurde und weitere Länder dem gefolgt sind oder noch folgen werden. Des Weiteren erwarten wir stetiges Wachstum des restricted Tier 1 (rT1) Segments. Obwohl rT1-Emissionsvolumina bei weitem nicht an T2 heranreichen werden, so hat doch die Neuemission der Allianz gezeigt, dass es auch bei den bestens kapitalisierten Marktführern Interesse an dieser neuen Bondklasse gibt.
IPE D.A.CH: Was denken Sie, warum, handeln Nachranganleihen von Versicherungen zu einem Discount relativ zu anderen Sektoren?
Franz: Es gibt eine Reihe von Gründen. Zum einen ist der Sektor relativ komplex und klassische Analysemethoden lassen sich nicht ohne weiteres auf Versicherer übertragen. Das bedeutet, dass Investoren Spezialwissen aufbauen und vorhalten müssen. Allerdings sind Nachranganleihen nur eine verhältnismäßig kleine Nische des Gesamtmarkts, so dass in der Vergangenheit nur sehr große Asset Manager oder Nischenplayer hier Spezialwissen hatten. Zum anderen hat der Kostendruck der letzten Jahre dazu geführt, dass gerade die großen und mittelgroßen Asset Manager und auch Investmentbanken sich aus solchen Nischen zurückgezogen haben. Auch verlassen sich die meisten Investoren zu sehr auf Ratings, obwohl diese in den allermeisten Fällen deutlich schlechter geratet sind als es die Solvenzquoten vermuten lassen. Dieser Wissensverlust fördert risikoaverses Verhalten der Investoren und damit zu weiteren Spreads.
IPE D.A.CH: Werden Investments in Nachranganleihen von Versicherern nicht auch von anderen – breiter anlegenden – Fonds abgedeckt?
Franz: Sicherlich gibt es viele breit gestreute Fonds, die auch in Nachranganleihen von Versicherern investieren. Diese können zwar einen generellen „Sector Discount“ realisieren, aber nicht Fehlbewertungen erkennen und das erhebliche Alphapotenzial auf Single Name Basis realisieren. Entweder bilden diese den Index nach oder sie gewichten komplexere Sektoren wie den Versicherungssektor unter.
IPE D.A.CH: Ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um Nachranganleihen von Versicherern zu kaufen?
Franz: Wir denken schon. Zwar sind die Spreads derzeit sehr eng, aber wir sehen noch deutliches Potenzial für weitere Kompression. Dazu haben sich in den letzten Wochen erneut einige Fehlbewertungen herausgebildet. Nicht zu vergessen ist auch, dass Versicherer – im Gegensatz zu anderen Sektoren – fundamental tendenziell von steigenden Zinsen profitieren werden.
IPE D.A.CH: Es wird zurzeit viel über „grandfathered Perpetuals“ gesprochen und das geplante Ende des „grandfathering“ im Jahr 2026. Gibt es hier wirklich noch viele gute Investment Opportunities?
Franz: „Grandfathering“ und sein Ende in 2026 ist ein altes Thema, das weitestgehend eingepreist ist. Dazu kommt die äußerst hohe Call-Disziplin für institutionelle Anleihen von Versicherern. Ein blindes Kaufen von vor 2015 emittierten Bonds macht daher aus unserer Sicht keinen Sinn. Allerdings gibt es noch einige Opportunitäten im Bereich der Retailanleihen. Hier ist aber nicht die Frage, ob diese in 2026 gekündigt werden, sondern vorher. Eine solche Einschätzung erfordert aber eine tiefgehende Analyse der Kapitalisierung und der Capital Management Strategie des Emittenten.
IPE D.A.CH: Bedeutet eine Allokation in rT1 nicht zu viel Risiko?
Franz: Ein erhöhtes Risiko, das sich aus möglichen Couponausfällen und Umwandlung in Aktien bzw. Abschreibung ergibt, ist unstrittig. Aber es ist bei weitem nicht so hoch, wie es die Spreads vermuten lassen. Man muss dazu wissen, dass Versicherer im Durchschnitt fast das doppelte an Solvenzkapital halten wie vorgeschrieben. Dazu haben viele Versicherer klare Trigger definiert, wie sie mit welchen Gegenmaßnahmen auf fallende Solvenzquoten reagieren. Diese Trigger sind in der Regel weit entfernt von einer regulatorischen Kapitalunterdeckung. Es ist auch zu beachten, dass in vielen Sparten wie zum Beispiel Rück- oder Industrieversicherung ein Financial Strength Rating von mindestens A- vorausgesetzt wird. Dadurch besteht ein zusätzliches Incentive für Versicherer eine gute Kapitalisierung zu bewahren. Wenn man dies in Relation zum zusätzlichen Spread für einen rT1 Bond setzt, kommt man zu dem eindeutigen Schluss, dass das zusätzliche Risiko eines rT1 Bonds nicht nur gut beherrschbar ist, sondern auch gut entlohnt wird.
IPE D.A.CH: Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Versicherungssektor. Wird Ihnen das nicht irgendwann einmal langweilig?
Franz: Absolut nicht, wir hatten in dieser Zeit die Deregulierung in Europa, US Workers Comp Krise, Dotcom Bubble, 9/11, KRW, Great Financial Crisis, Nat Cat 2011, Sovereign Risk Crisis, stetig fallende Zinsen, 20 Jahre Solvency II Entwicklung und Einführung, 25 Jahre IFRS 17 Entwicklung und jetzt auch noch Covid-19. Es war immer viel los und das wird auch in Zukunft so sein.
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main.
Kontakt: info@markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
Rötger Franz (Portfoliomanager /Senior Insurance Analyst) verfügt über mehr als 20 Jahre internationale Erfahrung in der Coverage von Versicherungen. Herr Franz wurde als Sell Side Credit Analyst bei Societe Generale 10-mal in Folge im Euromoney Fixed Income Research Survey als bester Versicherungsanalyst in Europa ausgezeichnet. Zuvor war er u.a. als Lead Analyst für die führenden Erst- und Rückversicherer bei der Ratingagentur A.M. Best tätig. Er verfügt über einen Abschluss der Universität zu Köln (Dipl.-Kfm.) mit Schwerpunkt Versicherungswissenschaft. Er stiess im April 2020 zur Plenum Investments AG und ist verantwortlich für Insurance Bonds.
Link zur PLENUM INVESTMENTS AG: www.plenum.ch