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„Als Family Office betrachten wir die Anpassung von Anlagerichtlinien an die aktuellen Marktbedingungen als eine der größten Herausforderungen für Stiftungen“

„Wo die Bedürfnisse der Welt mit deinen Talenten zusammentreffen, dort liegt deine Berufung“ (Aristoteles). Markus Hill* sprach mit J. Paulo M. dos Santos, Geschäftsführer der VIRIATO GmbH, über die aktuellen Herausforderungen im Stiftungsbereich im den Bereichen Investment, Reporting und Controlling. Themen des Gespräches waren neben der Bedeutung von Anlagerichtlinien, Alternative Investments und Manager Selection auch die Business Judgement Rule (BJR) sowie Risikomanagement. Betrachtungen des Spannungsfeldes „Ertragsoptimierung versus Interessenkonflikt“ beim Entscheidungsprozess bei Stiftungen und Gedanken zum Thema „Tun, was man liebt“ rundeten die Diskussion zusätzlich ab.

Markus Hill (unten) im Gespräch mit J. Paulo M. dos Santos

Hill: Welche Themen beschäftigen die Stiftungen aktuell besonders intensiv?
Santos: Aktuell beschäftigen sich viele Stiftungen intensiv mit drei zentralen Themen. Im Fokus stehen hier die Modernisierung von Anlagerichtlinien, die Business Judgement Rule (BJR) und die Optimierung sowie Steigerung ihrer Erträge.
Als Family Office betrachten wir die Anpassung von Anlagerichtlinien an die aktuellen Marktbedingungen als eine der größten Herausforderungen für Stiftungen. Dabei ist es entscheidend, die Gremien, Vorstände und Stiftungsverantwortlichen ins Boot zu holen, um sicherzustellen, dass die Anlagerichtlinien professionell und nachhaltig aufgestellt werden. Nur durch eine enge Zusammenarbeit und ein gemeinsames Verständnis können Anlagerichtlinien entwickelt werden, die den langfristigen Zielen der Stiftung gerecht werden und gleichzeitig flexibel genug sind, um auf sich ändernde Marktbedingungen zu reagieren.
Die Business Judgement Rule ist ein äußerst zentrales und sensibles Thema für Stiftungen. Besonders in unsicheren Zeiten ist es entscheidend, dass Vorstandshandlungen gut dokumentiert und fundiert sind, um die Stiftung vor potenziellen rechtlichen Risiken zu schützen. Die BJR bietet eine rechtliche Absicherung für Vorstände, sofern diese nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben.
Die Optimierung sowie Steigerung der Erträge betrachten viele Stiftungen fortwährend als eine zentrale Herausforderung. Unserer Ansicht nach ist es von großer Bedeutung, dass sich die Stiftungsverantwortlichen von unabhängigen Profis beraten lassen, um fundierte und solide Entscheidungen treffen zu können. Diese unabhängige Beratung hilft, die Interessen der Stiftung in den Mittelpunkt zu stellen und verhindert potenzielle Interessenkonflikte.

Hill: Wo genau sehen Sie im Bereich „Ertragsoptimierung“ diese Interessenkonflikte?
Santos: Ein besonderes Problem kann entstehen, wenn die beratenden Profis eng mit der Stiftung verbunden sind, da dies die Unabhängigkeit der Entscheidungen gefährden könnte. Kritisch wird es vor allem dann, wenn die Stiftung ausschließlich mit einer Vermögensverwaltung zusammenarbeitet. Sollten Mitglieder des Anlageausschusses der Stiftung zugleich für diese Vermögensverwaltung tätig sein, ist es unerlässlich, diese Verbindungen transparent offenzulegen und sehr gut zu begründen, dass alle Entscheidungen zum Wohle der Stiftung getroffen werden. Wir sind der festen Überzeugung, dass Anlageentscheidungen immer unabhängig und frei von den Interessen Dritter getroffen werden müssen. Die Stiftung und ihr langfristiges Wohl müssen stets im Mittelpunkt stehen, und alle Handlungen sollten darauf ausgerichtet sein, diese Ziele zu unterstützen.

Hill: Gibt es Besonderheiten bei Entscheidungsprozessen bei Stiftungen?
Santos: Entscheidungsprozesse bei Stiftungen sind oft komplex und erfordern sorgfältige Planung und Koordination. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, einen klaren und strukturierten Prozess zu entwickeln, um fundierte Entscheidungen zu treffen, die den langfristigen Zielen der Stiftung gerecht werden. Zunächst muss die Stiftung klären, wie ihre Anlagestrategie aussehen soll. Dabei geht es nicht nur darum, wo investiert werden kann und soll, sondern auch darum, wie diese Investitionen dazu beitragen können, die finanziellen Ziele der Stiftung zu erreichen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Auswahl der richtigen Partner, sei es Vermögensverwalter, Banken oder andere Finanzdienstleister. Die Stiftung muss sorgfältig prüfen, welche Partner am besten in der Lage sind, ihre Ziele zu unterstützen. Wenn die Stiftung entscheidet, mit mehreren Partnern zusammenzuarbeiten, stellt sich die Frage, wie diese Partner effektiv kontrolliert und koordiniert werden können. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein einheitlicher Reporting-Standard festgelegt wird, um sicherzustellen, dass alle relevanten Daten konsolidiert und übersichtlich dargestellt werden. Die Prozesse der Überwachung und Dokumentation müssen klar definiert und regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass alle Partner ihren Verpflichtungen nachkommen und die Ziele der Stiftung unterstützt werden.
Ein weiteres wichtiges Element ist die Vorbereitung auf die Herausforderungen, die sich bei der Weitergabe von Finanzdaten an die Steuerberatung ergeben können. Die Stiftung muss sicherstellen, dass alle notwendigen Informationen vollständig, genau und in einem konsistenten Format vorliegen, um die steuerlichen Anforderungen zu erfüllen. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen den Finanzdienstleistern und der Steuerberatung sowie eine präzise Dokumentation aller Prozesse und Entscheidungen.
Insgesamt erfordert der Entscheidungsprozess in einer Stiftung eine sorgfältige Planung, klare Kommunikation und eine strikte Einhaltung von festgelegten Standards und Prozessen. Nur so kann die Stiftung sicherstellen, dass sie ihre Ziele erreicht und ihre Verantwortlichkeiten gegenüber ihren Begünstigten und Aufsichtsbehörden erfüllt.

Hill: Warum sollten sich Stiftungen intensiver im dem Thema Alternative Investments auseinandersetzen?
Santos: Traditionell legen viele Stiftungen ihr Vermögen vorwiegend in gefühlt konservativen Anlageklassen wie Anleihen, Aktien und vielleicht noch in offene Immobilienfonds an. Diese Standardinvestitionen sollen oft Stabilität und eine gewisse Vorhersehbarkeit bieten, was für die langfristige Planung einer Stiftung von Vorteil ist. Sie sind leicht verständlich, gut reguliert und bieten durch ihre hohe Liquidität eine gewisse Flexibilität. Allerdings stehen Stiftungen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Erträge in einem sich verändernden Marktumfeld zu steigern, ohne dabei unnötige Risiken einzugehen. Hier kommen Alternative Investments ins Spiel. Dazu zählen beispielsweise die breite Palette von Private Equity, Infrastrukturprojekte und nachhaltige Investments wie erneuerbare Energien.
Ein wesentlicher Grund, warum sich Stiftungen intensiver mit Alternative Investments auseinandersetzen sollten, liegt in der geringen Korrelation dieser Investitionen mit den traditionellen Märkten. Das bedeutet, dass sie sich oft unabhängig von den Schwankungen an den Aktien- und Anleihemärkten entwickeln und dadurch das Risiko eines Gesamtportfolios reduzieren können. Darüber hinaus bieten Alternative Investments die Möglichkeit, in spezialisierte Märkte und innovative Technologien zu investieren, die langfristig attraktive Renditen generieren können.

Hill: Wie gehen viele Stiftungen in der Praxis mit dem Thema Alternative Investments um?
Santos: Viele Stiftungen haben sich aber bisher noch nicht intensiv mit Alternative Investments beschäftigt, und dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen erfordern diese Anlageformen in der Regel eine höhere Expertise und ein tieferes Verständnis für die jeweilige Anlageklasse. Sie sind oft weniger reguliert, was ein höheres Maß an Due Diligence und Risikobewertung erfordert. Zudem sind sie meist weniger liquide als traditionelle Anlagen, was bedeutet, dass das Kapital über einen längeren Zeitraum gebunden sein kann. Allerdings gibt es mittlerweile auch einige Alternative Investments mit kürzeren Laufzeiten. Unser Haus unterstützt Stiftungen beispielsweise bei der Verhandlung von sogenannten Club Deals, bei denen spezielle Alternative Investments genau auf die Bedürfnisse der Stiftung zugeschnitten werden.
Ein weiterer Grund ist die konservative Anlagestrategie vieler Stiftungen, die sich stark auf Sicherheit und Stabilität fokussiert. Alternative Investments werden oft als riskanter angesehen, was dazu führt, dass sie in den Anlagerichtlinien vieler Stiftungen noch wenig Beachtung finden. Dennoch sollten Stiftungen in Betracht ziehen, sich intensiver mit diesen Anlageformen auseinanderzusetzen. Mit der richtigen Expertise und einer sorgfältigen Auswahl können Alternative Investments eine wertvolle Ergänzung zu einem traditionellen Portfolio darstellen und dazu beitragen, die finanziellen Ziele der Stiftung langfristig zu sichern.

Hill: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, ein Family Office für Stiftungen zu gründen?
Santos: Die Idee, ein Family Office speziell für Stiftungen zu gründen, entstand 2016, als John O´Donnell und ich gemeinsam einen Investmentfonds berieten. Während dieser Zeit stellten wir fest, dass viele Stiftungen Schwierigkeiten haben, ihre Anlagerichtlinien eigenständig umzusetzen und sich oft überfordert fühlen. Uns wurde schnell klar, dass Stiftungen dringend professionelle Unterstützung in Investmentfragen benötigen.
Die Begeisterung für diese Zielgruppe rührt nicht nur aus unserer langjährigen Erfahrung in der Finanzwelt, sondern auch aus einem tiefen Verständnis für die besonderen Herausforderungen, denen Stiftungen gegenüberstehen. Aus unserer intensiven Zusammenarbeit mit Landesstiftungen sind wir zusätzlich für die Themen dieser sehr interessanten Institutionen sensibilisiert worden. John O´Donnell bringt als langjähriger Experte für Kapitalmärkte wie Aktien, Anleihen, Zinsprodukte, Derivate und Devisen einen breiten Erfahrungsschatz mit. Er hat eine toolbasierte, prozessuale Vorgehensweise bei Investmententscheidungen entwickelt und ist Co-Buchautor des Werkes „Trader Kompetenzen – Verhalten erkennen, Fehler vermeiden, Trading verbessern“. Darüber hinaus sind wir beide anerkannte Stiftungsmanager und -berater, was uns ein tiefes Verständnis für die spezifischen Bedürfnisse und Ziele von Stiftungen vermittelt. Ich bin Finanzexperte mit umfassendem Fachwissen im Portfoliomanagement, Investmentfonds, der Vermögensverwaltung und alternativen Investments. Wir sehen es als unsere Aufgabe, als Profis bei Investmententscheidungen zur Seite zu stehen und zusätzlich Reporting- und Controlling-Aufgaben zu übernehmen.

Hill: Womit beschäftigen Sie sich eigentlich, wenn es einmal nicht ausschließlich um das Thema Stiftungen geht?
Santos: Auch wenn das Thema Stiftungen einen großen Teil unserer Arbeit ausmacht, beschäftigen wir uns intensiv mit Marktanalysen und Research. Wir analysieren die aktuellen Entwicklungen an den Finanzmärkten, prüfen verschiedene Investmenthäuser und führen zahlreiche Gespräche mit potenziellen Partnern, insbesondere mit Asset Managern. Diese Gespräche finden nicht nur mit deutschen Partnern statt, sondern auch mit Teilnehmern aus Gesamteuropa, dem Vereinigten Königreich und insbesondere den USA. In den USA ist die Stiftungswelt im Hinblick auf den Investmentansatz anders aufgestellt. Wir sind bestrebt, diesen fortschrittlichen Ansatz auch hier in Deutschland zu etablieren. Im Groben kann man sagen, dass all unsere Gespräche, die wir führen, stets einen Bezug zu unserer Stiftungsberatung und der damit verbundenen Verantwortung haben. Uns ist es besonders wichtig, immer zum Wohl der Stiftung zu handeln. Dafür ist es entscheidend, ständig die Augen offen zu halten und kritisch zu hinterfragen, wie wir unsere Arbeit noch weiter verbessern können.

Hill: Vielen Dank für das Gespräch.

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J. Paulo M. dos Santos ist Geschäftsführer der VIRIATO GmbH (Family Office für Stiftungen): https://www.viriato-family-office.de/