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„Das Ziel des europäischen Emissionshandelssystems ist die Reduktion von CO2-Emissionen“

Im Mai setzten die CO2-Emissionszertifikate im EU-Handelssystem (EU Emissions Allowances, EUA) ihren stetigen Aufwärtstrend seit den Tiefstständen Ende Februar fort und schlossen den Monat bei 72,38 Euro. Dies entspricht einem Anstieg von 8,43% gegenüber dem Vormonat. Im Vergleich zum Tiefststand von 50,50 Euro am 23. Februar verzeichneten die EUAs einen Gesamtanstieg von 43,33%. Nach Ansicht von Steffen Hörter, Geschäftsführer von MR Investment Partners, bleibt das fundamentale Bild über die kurzfristigen Preisbewegungen hinaus unverändert: „Angesichts der sich abzeichnenden Knappheit an EU-Emissionsrechten in den kommenden Jahren, die durch den strikten CO2-Reduktionspfad des Fit-For-55-Programms und den MSR-Mechanismus verursacht wird, bleibt das Preisniveau für Investoren, die über das laufende Jahr hinausblicken, günstig. Der 2030 EUA-Marktkonsens liegt, auf Basis unseres Researchs, zwischen 105 und 156 Euro, was impliziten, annualisierten Renditeerwartungen von durchschnittlich 10-17% p.a. entspricht.“ IPE D.A.CH Chefredakteur Frank Schnattinger sprach mit ihm über die weiteren Aussichten dieser „neuen“ Assetklasse.

Steffen Hörter

IPE D.A.CH: Herr Hörter, der Handel mit CO2-Emissionszertifikaten steckt noch in den Kinderschuhen, dennoch hat sich hier eine offensichtlich interessante Assetklasse für institutionelle Anleger entwickelt. Bevor wir über die Chancen für Investoren sprechen würde ich gerne kurz die Basics des Marktes verstehen…
Hörter: Die EU hat weltweit definitiv den am weitesten entwickelten, regulierten Markt für Verschmutzungsrechte (EUAs). Immerhin gibt es das EU-Handelssystem für Emissionszertifikate – kurz ETS – bereits seit 2005. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Märkte für Emissionsrechte, den Markt für freiwillige Emissionszertifikate und den EU-Emissionsmechanismus. Die einzige Gemeinsamkeit ist dabei, dass sich das Pricing auf jeweils eine Tonne CO2-Äquivalente bezieht, die Märkte selbst sind allerdings völlig unterschiedlich. Investoren bewegen sich mit unserem Anlageprodukt allein im Markt für EU-Emissionsrechte. Wir sprechen hier dann bei EUAs auch von einem qualifizierten Finanzinstrument nach MiFID.

IPE D.A.CH: Nach welchem Prinzip arbeitet der Markt für Emissionsrechte?
Hörter: Das Ziel des europäischen Emissionshandelssystems ist die Reduktion von CO2-Emissionen. Die deutliche gestiegene Bedeutung des Marktes kommt letztlich auch vom Green Deal der EU und deren Klimaambitionen. Es gibt damit eine definierte Anzahl von Emissionsrechten, die gedeckelt ist und über die Zeit abgebaut wird. Auf dem Weg zu „Netto-Null“ im Jahr 2050 spielt der Markt für EUAs damit eine wichtige Rolle.



IPE D.A.CH: Wie groß ist der Markt für Investoren aktuell und wie sieht Ihre Investmentstrategie aus?
Hörter: Es ist schwierig hier genaue Zahlen zu bekommen, aber wir sprechen über ein aggregiertes Volumen von weltweit ca. 1 Mrd. US-Dollar bei den Fonds, die in EU-Emissionsrechte investieren. Wir selbst machen keine Alpha-Versprechen oder agieren mit Long-Short-Ansätzen, sondern sehen uns als klarer Buy-and-Hold-Investor und setzen ganz klar auf den langfristigen Preisanstieg bei den Verschmutzungsrechten.

IPE D.A.CH: Wir stehen aktuell bei rund 70 Euro, wie ist Ihre mittelfristige Prognose?
Hörter: Ich würde an dieser Stelle lieber unabhängige Researchhäuser zitieren. Diese gehen für das Jahr 2030 von einem Best-Case von 156 Euro, einen Base-Case in Höhe von 140 Euro und einen Bearish-Case in Höhe von 104 Euro aus. Der Base-Case würde dabei einer Rendite von rund 17% p.a. entsprechen. Auf der anderen Seite ist natürlich festzuhalten, dass es sich auch um ein sehr volatiles Asset handelt. Wir empfehlen unseren Kunden daher strikt, es nicht als Trading-Instrument zu sehen, sondern auf die langfristigen Preistreiber zu setzen, also auf die strukturelle und systematische Verknappung des Assets.

IPE D.A.CH: Welche „Mindest-Haltedauer“ würden Sie empfehlen?
Hörter: Mit mindestens drei bis vier Jahren Haltdauer würde ich auf alle Fälle kalkulieren um nicht zu sehr auf die kurzfristige Perspektive zu setzen.

IPE D.A.CH: Was sind die Treiber in Richtung Best-Case bzw. Worst-Case?
Hörter: Der grundsätzliche Treiber ist wie schon gesagt die Verknappung des Angebots. Auf der anderen Seite ist natürlich die Nachfrage wichtig für den Preis. Hier kommt es stark darauf an, inwieweit die dem Emissionshandel angeschlossenen Unternehmen auf Basis ihrer Scope-1- und Scope-2-Emissionen Verschmutzungsrechte vorhalten müssen. Wenn diese zum Stichtag nicht ausreichen, kommt das Unternehmen dabei nicht mit einem „blauen Auge“ davon, sondern muss sich am Markt entsprechend eindecken und zusätzlich eine Strafe von 100 Euro je zu viel ausgestoßener Tonne CO2 bezahlen. Zusätzlich reduziert die EU das Angebot an Emissionsrechten um einen sogenannten linearen Reduktionsfaktor der aktuell jedes Jahr 4,3% der Emissionsrechte aus dem Markt nimmt.

IPE D.A.CH: Das heißt, wenn die Nachfrage nicht entsprechend zurückgeht, rücken wir beim Preis eher in Richtung Best-Case-Szenario?
Hörter: Richtig, wenn dieses Verhältnis in Richtung eines Nachfrageüberschusses geht, sollte sich der Preis deutlich nach oben entwickeln. Interessant ist hier, dass in den nächsten Jahren deutlich mehr Industrieunternehmen in den EU-Emissionshandel einbezogen werden, wie z.B. die Schifffahrtsindustrie. In der Industrie sind die Opportunitätskosten zur Einsparung von CO2 deutlich höher als bei den Versorgern, die aktuell noch den Emissionshandel dominieren. Entsprechend höher müsste sich daher der Preis für Verschmutzungsrechte zeigen, um Dekarbonisierungsanreize zu setzen. Auch insgesamt könnte eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft dafür sorgen, dass durch eine höhere Produktion und einen entsprechend höheren Energieverbrauch der Preis für Emissionsrechte deutlich steigen dürfte.

IPE D.A.CH: Kurzfristig waren die Preise allerdings etwas unter Druck geraten, was machen Sie hier als ausschlaggebenden Grund aus?
Hörter: Die Emissionsrechte werden ja bekanntermaßen von den EU-Mitgliedsstaaten ausgegeben. Hier wurden zuletzt im Rahmen des REPowerEU-Programms einige Auktionen von Emissionsrechten vorgezogen und ein entsprechend höheres Angebot erzeugt. Dies war neben der hohen Preiskorrelation zum Spot-Gasmarkt und der grundsätzlichen Volatilität durch die geopolitischen Spannungen, sowie der schwächelnden EU Konjunktur, vermutlich der Hauptgrund für die Korrektur. Langfristig wiederum sollte dieses vorgezogene, in den kommenden Jahren fehlende Auktionsangebot dem EUA-Preis definitiv helfen.

IPE D.A.CH: Was sehen Sie grundsätzlich als größte Risiken im Markt?
Hörter: Ein Risiko ist natürlich der politische Background des Marktes. Aber ganz klar, der politische Wille ist bei der EU sehr ausgeprägt, was das Verhalten nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine auch gezeigt hat. Dies ist auch einer der Gründe warum wir den Markt so interessant finden. Selbst wenn sich das politische Sentiment ändert, wie die aktuelle Europawahl es skizziert, so sind die Mechanismen in Gesetzen verankert, eine Korrektur ist nur schwerlich möglich.

IPE D.A.CH: Wie groß ist der EU-Emissionsmarkt gemessen an den globalen Märkten?
Hörter: Wir reden hier von 87% der weltweit gehandelten Emissionsrechte, also von einem echten Schwergewicht. Aufgrund der Bedeutung hat sich daher auch bei den EU-Emissionsrechten ein liquider Spot- und Futures-Markt entwickelt, der Unternehmen und Investoren zu Verfügung steht. Dominiert wird der Handel vom Futures-Markt wo im vergangenen Jahr rund 80% der Gesamtvolumina abgewickelt wurden. Hier sind es nicht nur Finanzinvestoren, sondern auch Unternehmen bzw. deren beauftragte Banken als Teilnehmer des Emissionshandels, die sich durch entsprechende Kontrakte absichern. Wir selbst als Munich RE Investment Partners kaufen für unseren Fonds physische EUAs im Sekundärmarkt. Also nicht über Auktionen der EU oder über den Futures-Markt. In Bezug auf Letzteren vermeiden wir Rollkosten durch den persistenten Contango.

IPE D.A.CH: Wie sieht es mit den Korrelationseigenschaften der Assetklasse aus. Wenn ich es richtig sehe ist die Korrelation gegenüber einer 10-jährigen Bundesanleihe sogar negativ?
Hörter: Das ist korrekt, ich denke das ist durchaus ein Argument, mit dem wir punkten können. Schließlich wird genau das ja von Alternative Investments verlangt. Dazu kommt eine nur schwache Korrelation zu Aktien.

IPE D.A.CH: Was sehen Sie noch als größte „Berührungsangst“ von Anlegern bei der Assetklasse?
Hörter: Grundsätzlich ist es ganz einfach wichtig, eine Art „Convenience“ für die Assetklasse bei den Investoren aufzubauen. Es bleibt eine neue Assetklasse die erst einmal viel Erklärungsbedarf benötigt. Dies gilt nicht nur hinsichtlich Rendite/Risiko-Aspekten, sondern auch in Bezug auf die Wirkung in der Asset Allokation und die Korrelation zu anderen Assetklassen. Für uns bleibt es allerdings eine der spannendsten Investmentmöglichkeiten, die bislang kaum in den Portfolios repräsentiert ist.

IPE D.A.CH: Besten Dank für diese Einblicke.