Foundation | Welcome

Menu


Gastbeitrag Direct Lending: Selektivität bleibt in einem wettbewerbsintensiveren und risikotoleranteren Markt entscheidend

Der Direct-Lending-Markt ist in den letzten Jahren rasant gewachsen. Pitchbook schätzt, dass er inzwischen rund 50% des weltweiten privaten Kreditvermögens von 1,6 Billionen US-Dollar ausmacht. Die Gründe für dieses Wachstum sind bekannt: Der Rückzug traditioneller Kreditgeber aus bestimmten Kreditsegmenten aufgrund von Kapital- und Regulierungsrestriktionen. Direct Lending ist jedoch auch eine Anlageklasse, die sich als dynamisch erwiesen hat und sich ständig weiterentwickelt. Die Struktur und das Wettbewerbsumfeld haben sich erheblich verändert und neue Faktoren beeinflussen die Art und Weise, wie Investoren die Anlagemöglichkeiten, die Direct Lending bietet, nutzen.

Robert Scheer

Preiserosion
Eine der auffälligsten Entwicklungen auf den Kreditmärkten in diesem Jahr war die Wiederbelebung für großvolumige syndizierte Kredite (Broadly Syndicated Loans oder Leveraged Loans). Private Kreditfonds haben die Finanzierungslücke bei großen fremdfinanzierten Übernahmen gefüllt, nachdem Banken Anfang 2023 die Bereitstellung von Krediten in einem Umfeld höherer Basiszinsen zunehmend eingestellt hatten. Dies hat wiederum zu einem erheblichen Anstieg an Kapitalzusagen für eben solche Direct-Lending-Strategien geführt, die das Large-Cap-Segment bedienen. Hieraus ergeben sich nun in der Kombination mit einem wiedererstarkten syndizierten Kreditmarkt Herausforderungen bei der Kapitalanlage.

Die Rückkehr des Leveraged-Loans-Markts hat den Wettbewerb unter den privaten Kreditgebern um die größten Transaktionen verschärft. Dieses wettbewerbsintensivere Umfeld hat wiederum zu einem deutlichen Rückgang der Spreads und einer Verschlechterung der allgemeinen Kreditkonditionen für eben jene größeren Deals geführt. Nicht nur sind die Margen rückläufig, sondern es haben sich auch unerwünschte dokumentäre Merkmale wie „Portability“ etabliert.

Investoren, die sich zuvor auf das Large-Cap-Segment des Marktes konzentriert hatten, orientieren sich auf der Suche nach attraktiveren Konditionen bezüglich Unternehmensgröße nach unten. In der Konsequenz findet ein starker Wettbewerb unter Direct Lending Häusern auch am oberen Ende des Mid-Markets statt. Die schiere Größe der Megafonds stellt jedoch eine natürliche Barriere in der Migration nach unten dar, denn eine zu kleinteilige Anlage erscheint ökonomisch wenig sinnvoll.

Die Entwicklungen auf dem Leveraged-Loans-Markt haben dadurch zwar die Attraktivität von Teilen des Direct-Lending-Universums für Kreditgeber beeinträchtigt, dies ist jedoch nicht überall gleichermaßen der Fall. Angesichts des verstärkten Wettbewerbs und der Preiserosion bei größeren Kreditnehmern sind wir der Ansicht, dass es derzeit am unteren Ende des Mid-Marktes nach wie vor gute Anlagemöglichkeiten gibt. Hier bleiben die Preise stabiler und bieten Investoren ein besseres Risiko-Rendite-Profil.

Diese Verschiebung in der Wettbewerbslandschaft hat sich auch auf die relative Attraktivität einiger vermeintlicher Senior Loans ausgewirkt. Angesichts des historisch hohen Zinsniveaus und des unsicheren makroökonomischen Umfelds konzentrieren wir uns auf konservativere Direct-Lending-Opportunitäten – im Gegensatz zur Unitranche, die als hybride Anlageform aus vorrangigen und nachrangigen Schuldtiteln ein risikoreicheres Profil aufweist. Wir sehen daher am konservativeren Ende des Marktes, auch aufgrund der Angebots- und Nachfragedynamik, ein attraktiveres Verhältnis von Risiko und Rendite.

Die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale: Volatilität und Preisstabilität
Die im Vergleich zu den öffentlichen Märkten, den Hochzins- und den syndizierten Märkten potenziell geringere Volatilität bzw. größere Preisstabilität, dürfte sich für viele Anleger als eines der Kernvorteile von Direct Lending erweisen. Die Renditen festverzinslicher Wertpapiere sind in den letzten zwei bis drei Jahren zwar gestiegen, jedoch sind die höheren Renditen an den öffentlichen Märkten häufig auf kurzfristige Marktverwerfungen zurückzuführen. Im Vergleich dazu hat die typischerweise längerfristige Ausrichtung vieler Anleger im Bereich Direct Lending in Verbindung mit potenziell hohen Kupons dazu geführt, dass die Anlageklasse über Marktzyklen hinweg hohe Renditen erzielen konnte.

Die eingeschränkte Liquidität bei der direkten Darlehensvergabe ist für einige Anleger ein nicht zu vernachlässigender Nachteil. Begrenzte Liquidität kann aber auch von Vorteil sein, gerade in Zeiten hoher Marktvolatilität oder unvorhergesehener Marktereignisse. Für den Anleger verringern die im Vergleich zu High Yield und Leveraged Loans weniger volatilen Mark-to-Market-Bewertungen den Risikofaktor bei der Berechnung der risikoadjustierten Rendite.

Die variable Verzinsung bei Direct Lending bietet in Bezug auf Volatilität einen weiteren Vorteil – die kurze Zinsbindungsfrist insbesondere im Vergleich zu Investment-Grade- und High-Yield-Anleihen. Im Gegensatz zu diesen Kreditmärkten, bei denen die Investoren sowohl dem Zins- als auch dem Kreditrisiko ausgesetzt sind, stellt die variable Verzinsung bei Darlehen sicher, dass Investoren nur das Kreditrisiko tragen, was die Volatilität reduziert.

Leveraged Loans und Direct Lending: Konkurrenz oder Symbiose?
In Zeiten von Marktturbulenzen kann die ‚natürliche Ordnung‘ gestört werden, wenn Direktkreditgeber mit Leveraged-Loans-Investoren konkurrieren. In den meisten Fällen jedoch, insbesondere in Europa, existieren die Märkte nebeneinander, wobei jeder Markt ein gewisses Reifestadium in der Entwicklung eines Unternehmens repräsentiert - vom ersten Buy-out bis zum Börsengang.

Beide Märkte erweisen sich für unterschiedliche Investoren, Kreditnehmer und Sponsoren als attraktiv. Der Markt für Leveraged Loans zieht Investoren an, die ein hohes Maß an Diversifizierung, regelmäßige laufende Erträge und Liquidität sowie die Standardisierung des Prozesses durch einen großen, formell von einer arrangierenden Bank durchgeführten Syndizierungsprozess suchen, während diejenigen, die die höheren Renditen einer direkten Darlehensvergabe anstreben, bereit sind, zum Teil zusätzliches Kreditrisiko, höhere Portfoliokonzentration und den „Locked-up“-Charakter der (meisten) Strategien zu akzeptieren.

Aus der Sicht eines Private-Equity-Sponsors werden die Fremdkapitalkosten auf den Märkten für syndizierte Kredite tendenziell niedriger sein, auch wenn der Zeit- und Kostenaufwand für die Einholung öffentlicher Ratings eine Voraussetzung ist. Bei der direkten Darlehensvergabe werden Investoren in der Regel mit höheren Renditen („Illiquiditätsprämie“) belohnt, Sponsoren hingegen können mit einer maßgeschneiderten Transaktionsstruktur rechnen.

Auch wenn der Direct-Lending-Markt in letzter Zeit am stärksten gewachsen ist, sehen wir in einem Umfeld zunehmender Dynamik bei Fusionen und Übernahmen (M&A) symbiotisches Wachstum in beiden Segmenten.

Verschiebung der Gläubigerschutz- und Vertragsklauseln
Neben den Auswirkungen auf die Preisgestaltung hat der zunehmende Wettbewerb auch zu einer höheren Risikotoleranz unter den Kreditgebern geführt. Der M&A-Markt hat sich zwar von seinen jüngsten Tiefständen erholt, ist aber nach wie vor relativ verhalten. Dies und die Tatsache, dass die Kreditgeber größere Kreditvolumina zur Verfügung stellen können, hat zu einem verstärkten Wettbewerb geführt – eine höheres Level an Kreditkapazität konkurriert um eine nicht im gleichen Maße angestiegene Anzahl an Transaktionen. Infolgedessen ist eine Lockerung der Kreditstandards zu beobachten. Eingeschränkte Sicherheiten-Pakete und die Tatsache, dass „Covenant-lite“-Verträge am unteren Ende des Marktes für große Unternehmen inzwischen die Norm sind, verdeutlichen dies.

Diese Verschiebung betrifft nicht ausschließlich das obere Ende des Marktes. Auch im Mid-Market-Bereich sind Covenant-Lite-Deals zu beobachten, bzw. solche bei denen Kreditgeber den tatsächlichen Mehrwert der angebotenen Covenants hinterfragen sollten. Hinzu kommen neue Strukturmerkmale wie „Payment-in-kind“ (PIK). Payment-in-kind bietet dem Kreditgeber zwar potenziell eine höhere Rendite, vergrößert aber in der Regel das Risiko, da Zinszahlungen aufgeschoben werden, insbesondere wenn Kreditnehmer über nicht ausreichend Liquidität verfügen, um den Schuldendienst zu leisten. Es liegt auf der Hand, dass die potenziellen Risiken für den Endinvestor steigen.

Das vielleicht wichtigste Ziel bei der Kreditvergabe ist die Vermeidung von Fehlern, insbesondere wenn ein Kredit illiquide ist und keinen Zugang zu einem Sekundärmarkt bietet. In einem Markt, der wettbewerbsintensiver und risikotoleranter geworden ist, ist es entscheidend, wachsam zu bleiben und Chancen über einen Zyklus hinweg zu bewerten. Wir sind der Meinung, dass Selektivität im aktuellen Umfeld von entscheidender Bedeutung ist, und im Zweifel Vorrang vor einer möglichst schnellen Anlage von Investorenvermögen haben sollte.

Das starke Wachstum, das der Direct-Lending-Markt in jüngster Zeit verzeichnet hat, zeigt keine Anzeichen einer Abkühlung. Das erscheint wenig überraschend, da die Attraktivität dieser Anlageklasse ungebrochen ist: verlässliche Einkommensströme, variable Zinsen, Diversifizierung und potenziell attraktive risikobereinigte Renditen. Anleger müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sich diese Anlageklasse laufend weiterentwickelt und der Markt dynamisch bleibt. So erscheint es wichtiger denn je, bei der Bereitstellung von Krediten in Bezug auf Seniorität und Bonität sehr selektiv vorzugehen. Vor diesem Hintergrund sind wir der Ansicht, dass das konservativere Ende des Mid-Markets Anlegern wahrscheinlich eine bessere Opportunität bietet.

---
*) Robert Scheer, Co-Head Private Credit Origination, M&G Investments