Bankern, Fondsmanagern, Analysten und Immobilienmanagern kommt bei der Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 eine Schlüsselrolle zu. Im Mittelpunkt steht eine „Rückkehr zu den Grundlagen“, d. h. eine solide, wirtschaftlich sinnvolle Best-Practice-Politik. Es geht darum, die Erfüllung von Grundbedürfnissen widerstandsfähiger zu machen und das Wirtschaftswachstum stimmig zu gestalten und seine Stabilität zu fördern. Damit werden sie zum Impulsgeber der Transformation der Realwirtschaft.
ESG-Faktoren als Gradmesser für gesunde Renditen
Eine der Schlüsselindustrien beim Klimaschutz ist der Immobiliensektor. Immobilien sind in der EU für 40% des Energieverbrauchs und 36% der Kohlenstoffemissionen verantwortlich. Ziel der deutschen Bundesregierung ist der nahezu klimaneutrale Immobilienbestand. Kern des Plans ist die Taxonomie. Sie wurde entwickelt, um den viel verwendeten Begriff der Nachhaltigkeit konkret zu definieren. Schließlich benötigen Anleger Zugang zu konsistenten, vergleichbaren Daten zu wesentlichen ökologischen, sozialen und Governance-Faktoren (ESG). Sie dienen als Orientierung, was als nachhaltiges Investment mit soliden Renditen gelten kann, die im besten Fall noch einen gesunden Schub erhalten.
Im Immobiliensektor findet die Taxonomie in vier Bereichen Anwendung: in der Projektentwicklung, schon im Ankaufsprozess, bei der Renovierung/Sanierung von Bestandsimmobilien und in Form individueller Maßnahmen.
Bei der Planung und dem Bau neuer Gebäude muss ein bestimmter Netto-Primärenergiebedarf sichergestellt sein. Wir gehen davon aus, dass damit die Kosten für die Errichtung von Neubauten erheblich steigen werden, was sich auch auf die Renditen auswirken wird.
Beim Ankauf von Immobilien gelten vor dem 31. Dezember 2020 erbaute Gebäude als nachhaltig, wenn sie zu den Top 15% innerhalb ihrer Vergleichsgruppe in Bezug auf den Primärenergieverbrauch gehören. Zum Nachweis können Energieverbrauchsausweise genutzt werden (Energieeffizienzklasse A reicht aus). Nach dem 31. Dezember 2020 errichtete Gebäude gelten als nachhaltig, wenn sie die oben genannten Kriterien für Neubau zum Zeitpunkt des Ankaufs erfüllen.
Sanierungswelle für Bestandsgebäude
Einen hohen Stellenwert hat die Renovierung bzw. Anpassung von Bestandsimmobilien. Dazu können beispielsweise simple LED Beleuchtungen mit Intervallschaltung oder auch Wärmedämmungen mit einem niedrigen U-Wert zählen sowie die Heizungsart als solche und generell die Auswahl von verwendeten Materialien. Die Maßnahmen müssen entweder sicherstellen, dass die zur Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinien festgelegten nationalen energetischen Anforderungen und Pflichten für Renovierungen im Gebäudebestand erfüllt werden. Oder sie müssen garantieren, dass eine relative Verbesserung des Primärenergieverbrauchs von 30% gegenüber dem vorherigen Niveau erreicht wird.
Das wird die Sanierungsquote für bestehende Gebäude deutlich erhöhen. Allerdings sei darauf hingewiesen, dass nicht jeder Bestand (gerade bei Logistikimmobilien) unendlich viele unterschiedliche Anpassungsmöglichkeiten bietet. Sei es aufgrund der bisherigen Grundstücksauslastung, der baurechtlichen Vorgaben oder auch der baulich sinnvollen Maßnahmen.
Zudem hat die Technische Expertengruppe der EU für nachhaltige Finanzwirtschaft (TEG), die die Europäische Kommission bei der Umsetzung des Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums berät, einen Katalog von individuellen Maßnahmen erarbeitet. Wie ESG-Faktoren bei Immobilienunternehmen Rechnung tragen, ist sehr unterschiedlich und mag sich nicht immer auf den ersten Blick erschließen.
Wissen um die Steuerung von Risiken
Grundsätzlich ist die Integration von Nachhaltigkeitskomponenten in die Unternehmensanalyse ein zunächst aufwendiger Prozess. Unternehmen, die ihn durchführen, werden ihn aber auf längere Sicht als sehr lohnenswert bewerten. Risiken zu verstehen, ermöglicht eine Wende herbeizuführen. Neue Chancen wahrzunehmen und Maßnahmen zur Steigerung des Gesamtwerts von Immobilien zu ergreifen, verbessern die Qualität des Portfolios, steigern die Attraktivität für bonitätsstarke Mieter und ermöglichen höhere Mieterträge. Im besten Fall können sich Wettbewerbsvorteile ergeben.
Wettbewerbsvorteile für geprüfte Immobilienvehikel
Internationale Ratingstandards der immobilienspezifischen Nachhaltigkeitsplattform GRESB (Global Real Estate Sustainability Benchmark), aber auch deutsche Initiativen wie ECORE (ein gemeinschaftlicher Ansatz von 33 Immobilieninvestoren) unterstützen Immobilienunternehmen darin, eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Hierfür müssen die bewerteten Immobilien und Fonds ein überzeugendes Gesamtergebnis erzielen und werden in einer Peergroup in Vergleich gesetzt. Auch wir haben innerhalb der Initiative ECORE die Möglichkeit erhalten, unsere Expertise im Logistikimmobiliensegment einzubringen.
Die Teilnahme am GRESB-Rating hat uns viele Erkenntnisse darüber verschafft, wie unser Immobilienportfolio performt und wie wir auch mit einer nachhaltigen Verwaltung baldmöglichst ein sogenannter „Green Star“ unter den (Logistik-) Immobilienunternehmen werden können.
Bewusstseinswandel wird die Zukunft prägen
Mögen sich Vorschriften vornehmlich auf den Klimawandel beziehen, mehren sich Stimmen von Stakeholdern, mit entsprechenden Maßnahmen auch positive Auswirkungen für die Gesellschaft zu erzielen. Die Einbindung von sozialen und Governance-Aspekten ist dabei bisweilen weniger offensichtlich, kann aber einen großen Schritt in die richtige Richtung für (Immobilien-) Unternehmen bedeuten.
Neben dem Umweltschutz zählt die Erweiterung des sozialen Engagements wie zum Beispiel in Form eines Impact Days oder durch Intensivierung von Health and Safety Maßnahmen dazu.
Letztendlich ist es unsere Aufgabe, die veränderten Werte in die Unternehmen zu tragen.
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*) Katrin Poos ist Geschäftsführerin von RLI Investors.