Value-Add-Immobilien galten lange Zeit als Nischenprodukt. Investoren nähern sich ihnen wegen der damit verbundenen – oft vermeintlichen – Risiken bisher eher noch zögerlich und bevorzugen das klassische Core-Segment. Doch in diesem Bereich sinken die Renditen auf ein immer niedrigeres Niveau. In Zeiten niedriger Zinsen und steigender Inflationsraten sehen sich Investoren daher dazu gezwungen, ihre Anlagestrategien den Märkten anzupassen.
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben diesen Trend noch einmal beschleunigt: Laut einer Wealthcap-Umfrage aus dem Frühjahr 2021 gewinnen Value-Add-Strategien auch wegen der Pandemie-Auswirkungen weiter an Bedeutung. Von den rund 1.500 Teilnehmern haben knapp 22% bereits Investitionen im Value-Add-Bereich getätigt. Dieser Anteil steigt auf ganze zwei Drittel (66%), berücksichtigt man nur jene 500 Teilnehmer an der Befragung, die sich bereits mit Value-Add-Strategien befasst haben. Mehr als ein Drittel dieser „wertsteigerungsaffinen“ Investoren plant, in den kommenden drei Jahren mehr oder genauso viel wie bisher auf diese Weise anzulegen. Die Hälfte der Befragten ist der Meinung, dass die Krise diesen Trend noch zusätzlich verstärken dürfte. Ein Aufwärtstrend für Value-Add-Investments zeichnet sich aber nicht erst seit der Corona-Pandemie ab. Eine Umfrage von Universal Investment dokumentiert bereits im Jahr 2019 ein gesteigertes Interesse an wertsteigernden Strategien: Knapp 59% der befragten Investoren brachten bereits hier ihr Interesse an Value-Add-Objekten zum Ausdruck. In der Vorgänger-Befragung aus dem Jahr 2018 hatte das Thema dagegen noch keine besondere Bedeutung.
Entscheidendes Motiv ist der bereits erwähnte Rendite-Verfall im Core-Segment. Knapp ein Drittel der Befragten waren mit den dort erzielten Renditen nicht zufrieden. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es nur acht Prozent. Auch vor dem Hintergrund der anziehenden Inflation dürfte die Nachfrage nach Value-Add-Investitionen weiter steigen – und dies in zunehmendem Tempo.
Rendite aus der Immobilie heraus erwirtschaften
Value-Add-Strategien schöpfen Wertsteigerungspotenziale aus einer Vielzahl von Möglichkeiten. Modernisierungsmaßnahmen und die Repositionierung von Objekten erlauben markadäquate Mieten und Leerstandsabbau. Darüber hinaus ermöglichen Revitalisierungsmaßnahmen und ein effizientes Management, „ESG-konforme“ Lebenswelten zu schaffen, die in Hinblick auf die Nebenkosten Einsparpotenziale für die Mieter ermöglichen. ESG und Renditen sind daher kein Gegensatz, sondern bilden eine Symbiose. Eine „Win-Win“ Situation für Anleger und Mieter, aber auch für die Umwelt.
Es wird des Öfteren davon ausgegangen, dass ein günstiger Einstieg im Kaufpreis und bauliche Maßnahmen allein zu einer erfolgreichen Value-Add-Strategie führen. Dies ist weit gefehlt, denn die Bewirtschaftungsphase nach Besitz- und Lastenübergang ist ein maßgeblicher Faktor und damit das aktive Asset-, Property- Vermietungs- und Facility Management. Das Entscheidende ist, dass ein „Vierklang“ aus günstigem Kaufpreis, Aufdecken und Heben der Bewirtschaftungsreserven, einem optimierten Bau- und Facility Management sowie einer attraktiven Finanzierungsstruktur entsteht.
Ziel beim Erwerb einer Value-Add-Immobilie muss es sein, Objekte mit einem objektadäquaten Kaufpreis, verbunden mit möglichen Wertsteigerungspotenzialen, zu identifizieren. Diese finden sich in der Regel nicht in den 1A-Lagen der deutschen A-Städte, wohl aber in deren Umland, in Metropolregionen oder sogenannten Schwarmstädten und anderen wirtschaftlich starken kleineren Städten.
Wertsteigerungspotenzial wird beispielsweise, wie bereits erwähnt, an hohen Leerstandsraten oder vorhandenem Instandhaltungsstau erkennbar. Heben lassen sich diese Potenziale durch ein effizientes Baumanagement, umfassende und im Fall von Wohnanlagen zudem kontinuierliche Modernisierungsmaßnahmen. Aufstockungen oder ein neues Flächennutzungskonzept schaffen mehr vermietbaren Raum oder nutzen vorhandenen Raum effizienter. Auch bauliche Verdichtungsmaßnahmen müssen in die strategischen Überlegungen mit einbezogen werden, um auch ein stückweit mehr Wohnflächen zu schaffen.
Eine Neuvermietung auf Marktniveau, die Aufwertung bestehender Mietverträge durch die Modernisierungen sowie die Neuverhandlung oder Verlängerung bestehender Mietverträge in Gewerbeeinheiten sichern und steigern Erträge. Niedrige Zinsen erzeugen positive Leverage-Effekte. Höhere Mieten, reduzierter Leerstand, hohe Qualität und Ausstattung und ein deutlich verbessertes Erscheinungsbild führen schließlich gemessen am Einstieg zu deutlich besser positionierten Immobilen im Markt.
Kompetenzen „inhouse“ abbilden
Wer die entsprechenden Kompetenzen an Dritte auslagert – und dies ist nun einmal bei vielen Asset Managern von institutionellen Immobilienanlagen zu beobachten –, gibt diese zentralen Hebel der Wertschöpfung aus der Hand. Reibungs- und Schnittstellenverluste sowie mangelnde Steuerungskompetenz im Detail lassen vieles von dem, was am Ende dem Investor als Value Add zugute kommen sollte, unterwegs verloren gehen.
Erfolgversprechender ist die „Wertschöpfung aus einer Hand“. Das Asset Management identifiziert das Wertschöpfungspotenzial der Immobilie, definiert die Objektstrategie und steuert die jeweiligen Teams zu deren Umsetzung. Das kaufmännische und das technische Property Management, das Vermietungsmanagement sowie das infrastrukturelle Facility Management sind optimaler Weise im eigenen Haus integriert – auf diese Weise kann das Asset Management ein verlässliches Monitoring bei der Umsetzung inklusive einer Kostenkontrolle installieren und umsetzen.
Überdies ist das Vermietungs- und Property Management das „Gesicht zum Kunden“ und zugleich wichtigste Informationsquelle des Asset Managers. Denn der Umgang mit den Mietern muss professionell und vor Ort, mit Augenmaß und mit Rücksicht auf die jeweiligen Interessen erfolgen. Mieter sollten darüber hinaus einen Ansprechpartner erhalten, der sich u.a. um ihre Belange kümmert und die Handwerker vor Ort koordiniert. Dies führt im besten Fall zu einer positiven Mieterresonanz und dadurch zu einer geringeren Fluktuation und Mietausfallzeiten. Die Integration des Vermietungsmanagements im eigenen Haus verkürzt die Wege bei Absprachen, Besichtigungen und der Erstellung von Mietverträgen und spart so zeitliche und finanzielle Ressourcen. Dieser direkte Zugriff auf die Objekte zu allen Zeitpunkten des Immobilienzyklus ermöglicht es, auch komplexe Herausforderungen zeitnah und nachhaltig zu meistern. Nur wenn das Potenzial, das sich aus der Nutzungsphase ergibt, in allen vier Bereichen (kaufmännisches und technisches Property Management, Vermietungsmanagement, Facility Management) ausgeschöpft wird, kann eine erfolgreiche Value-Add-Strategie umgesetzt werden.
Wie das in der Praxis funktionieren kann, zeigt beispielsweise der Umgang mit einer gut gelegenen Wohnanlage in Dormagen bei Köln. Eine sozial verträgliche, kontinuierliche Fluktuationsmodernisierung ließ die Durchschnittsmieten sozialadäquat ansteigen. Die Modernisierungsmaßnahmen erhöhten zudem die Attraktivität der Wohnungen und der gesamten Anlage. Auch mit Unterstützung der vorweg benannten Maßnahmen konnte die Vermietungsabteilung die Vermietungsquote auf 98% steigern. Innerhalb von fünf Jahren konnte der Ertrag durch die Aufmietung der Objekte entsprechend erhöht werden.
Diese Strategie funktioniert übrigens nicht nur bei Wohnimmobilien. Die doppelte Nähe sowohl zum Objekt als auch zum Nutzer ermöglicht es unter anderem auch bei „Immobilien der öffentlichen Infrastruktur“, Werte zu identifizieren und zu realisieren. Durch aktives Asset Management können Immobilien der öffentlichen Infrastruktur langfristig vermietet werden und somit Upside-Potenziale gehoben und stabile Erträge erwirtschaftet werden. Bei diesen Objekten handelt es sich um Immobilien, die der Nutzung im „öffentlichen Interesse“ dienen, wie unter anderem Büroimmobilien, Gesundheitsimmobilien, Universitäten, Kindertagesstätten, Rathäuser oder kulturelle Einrichtungen sowie Funktionsgebäude z.B. der Justiz, die an staatliche, halbstaatliche oder private Institutionen vermietet sind.
Ein voll integrierter, aktiver Managementansatz „aus einer Hand“ ermöglicht eine schnelle, direkte und effiziente Steuerung von Immobilienportfolien. Ein Value-Add-Prozess beansprucht in der Regel eine gewisse Investitions- und aktive Bewirtschaftungszeit, wobei sich diese für den Anleger lohnt: Die laufenden Renditen übertreffen in der Regel das Core-Rendite-Niveau deutlich. Es wird ein attraktives und nachhaltiges Portfolio aufgebaut, so dass auch der Exit grundsätzlich mit Wertaufschlägen zu realisieren ist.
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*) Dominik Barton, CEO der Barton Group