IPE D.A.CH: Welche Rolle spielt für den Fondsstandort Liechtenstein der Bereich Immobilien?
Gamper: Immobilien waren bis vor ein einigen Jahren noch unterrepräsentiert, holen aber sukzessive auf. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass früher die Fondsinitiatoren hauptsächlich aus der Schweiz kamen und diese kaum Immobilienfonds im Ausland aufgelegt haben. Mit der Internationalisierung der Fondsinitiatoren ging auch die Zunahme der Immobilienfonds einher, denn Liechtenstein kann sehr vorteilhafte regulatorische Rahmenbedingungen vorweisen. Liechtenstein ist Mitglied des EWR und übernimmt die AIFM Richtlinie der EU. Dadurch bietet der Fondsplatz die nahezu identischen Möglichkeiten wie andere Fondsdomizile in Europa, z.B. die SICAV oder das Sondervermögen. Eines der wichtigsten Merkmale des Fondsplatzes Liechtenstein ist die Finanzmarktausicht (FMA). Nicht nur die sehr kurze Zulassungszeit von drei bis vier Tagen für neue Produkte hebt Liechtenstein deutlich von anderen Fondsdomizilen ab, sondern insbesondere die kooperative und lösungsorientierte Arbeitsweise der FMA. Dies wirkt sich für alle Beteiligten in Bezug auf Planbarkeit und Zeitaufwand sehr positiv aus. Die gute Zusammenarbeit zeigt sich auch daran, dass es zwischen FMA und LAFV abgestimmte Musterdokumente für die Neuauflage von Fonds gibt. Der Qualitätsanspruch auf die regulatorisch notwendigen konstituierenden Dokumente wurde bewusst standardisiert, um somit den Fokus auf die reale Umsetzung der Prozesse zu legen, die die Grundlage der Vermögensmehrung und damit Grundlage eines qualitativen Anlegerschutzes sind. Als Beispiel sei die neue Regelung zur Bewertung von Vermögensgegenständen genannt. Nicht zuletzt deshalb ist kürzlich ein deutscher AIFM, der einen Schwerpunkt auf Immobilien legt, mit einem eigenen AIFM nach Liechtenstein expandiert.
IPE D.A.CH: Würden Sie den Finanz- und Fondsplatz Liechtenstein als innovativ bezeichnen?
Gamper: Liechtenstein ist einerseits sehr traditionell und denkt in Generationen. Das äußert sich auch in seiner politischen und wirtschaftlichen Stabilität. Andererseits ist es aus meiner Sicht auch sehr innovativ. Denken wir nur einmal an das europa- oder vielleicht sogar weltweit erste umfassende „Blockchain-Gesetz“. Auch der erste Kryptoasset-Fonds nach europäischem Recht, der nun mit enormen Renditen von sich reden macht, wurde in Liechtenstein zugelassen, ebenso wie der erste Fonds, der auf Token-Basis gehandelt werden kann. In Liechtenstein gibt es eine Reihe von Institutionen, die Innovationen im Finanzbereich fördern. Von Regierungsseite gibt es die Stabstelle für Finanzplatzinnovation, die die Innovationsprozesse von Finanzdienstleistern und finanzmarktnahen Unternehmen unterstützt. Zur Verbesserung der staatlichen Rahmenbedingungen gibt es auch die sogenannten Innovations-Clubs. Jeder kann seine Bedürfnisse der Regierung auf einfachem Weg mitteilen. Auch ist es möglich sich mit Gleichgesinnten in einem Innovations-Club auszutauschen. Dadurch wird ein effizienter Prozess zur Verbesserung der Rahmenbedingungen oder weiterer staatlicher Tätigkeitsfelder ermöglicht. Auch die Fondsbranche hat hier schon Ideen eingebracht und es wird sehr schnell reagiert, um Lösungen zu finden. Interessant ist auch die Einrichtung des Regulierungslabors bei der Finanzmarktaufsicht (FMA). Innovative Geschäftsmodelle wie Fintechs passen oft nicht in die klassischen Regulierungskategorien. Bei der Finanzmarktaufsicht Liechtenstein wurde deshalb ein Kompetenzteam für eben diese innovativen Geschäftsmodelle eingerichtet. Dadurch erhalten interessierte Unternehmen einen direkten Zugang zu speziell qualifizierten Ansprechpartnern für einen möglichst hindernisfreien und zügigen Bewilligungsprozess.
IPE D.A.CH: Wie ist das Verhältnis zwischen Liechtenstein und der Schweiz, ist das in der Fondsbranche eher ein Konkurrenzverhältnis oder eine Zusammenarbeit?
Gamper: Ich denke zwischen allen Fondsdomizilen in Europa gibt es einen gesunden Wettbewerb. Von einem besonderen Konkurrenzverhältnis zwischen der Schweiz und Liechtenstein kann ich nicht sprechen, dafür ist die Ausgangsbasis zu verschieden. Schweizer Fonds können nicht vom EU-Pass profitieren, da die Schweiz nicht Mitglied des EWR ist. Somit ist ein Vertrieb in Europa nur sehr eingeschränkt möglich. Auf der anderen Seite haben Anleger aus der Schweiz den Vorteil, dass sie bei heimischen Fonds bei der Ausgabe keine Stempelsteuer bezahlen müssen. Somit würde ich sagen, dass tendenziell die Herkunft der Anleger die Wahl zwischen den zwei Fondsdomizilen bestimmt. Sind diese nur in der Schweiz, dann setzt man einen Fonds nach Schweizer Recht auf. Sind diese in Europa, dann nimmt man ein Fondsdomizil in einem EWR-Staat. Ganz besonders vorteilhaft ist Liechtenstein, wenn die Anleger sowohl aus der Schweiz als auch aus dem EWR Raum kommen. Es ist nämlich das einzige Fondsdomizil mit EU-Pass und Stempelsteuerprivileg für Anleger in der Schweiz. Somit gibt es nicht wirklich eine Konkurrenz, ich sehe hier eher die Vorteile der Kooperation. Sehr viele Dienstleistungen der liechtensteinischen Fondsanbieter werden in die Schweiz delegiert und somit dort erbracht. Teilweise kommen auch die Eigentümer der liechtensteinischen Fondsgesellschaften aus der Schweiz oder es gibt dort Mutter-, Schwester- oder Tochtergesellschaften. Nicht zuletzt kommt ein sehr großer Teil der Fondsinitiatoren aus der Schweiz. Es ist also eine Zusammenarbeit mit der Schweiz, eine sehr gute sogar.
IPE D.A.CH: Family Offices hatten in 2020 Liechtenstein als Standort für die Fondsauflage im Blick. Nehmen Sie auch in 2021 hier weiterhin ein starkes Interesse wahr?
Gamper: Family Offices zeigen nicht unerhebliches Interesse an liechtensteinischen Fonds als Instrument für die Vermögensstrukturierung. Seit unserem letzten Gespräch haben die Anfragen beziehungsweise Aktivitäten diesbezüglich sogar zugenommen. Ebenso stellen wir fest, dass Liechtenstein vermehrt auch als Standort für Family Offices selbst in Frage kommt und Sitzverlegungen in Betracht gezogen werden. Es gibt für beide erwähnten Varianten einige sehr konkrete Projekte, die in absehbarer Zeit realisiert werden. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage weiter zunehmen wird. Liechtenstein ist sowohl für Family Offices als auch für Fonds steuerlich attraktiv und bietet rechtlich, politisch und wirtschaftlich ein stabiles Umfeld. Das sind ideale Voraussetzungen für eine generationenübergreifende Vermögensplanung und -verwaltung. Auch das Know-how ist in Liechtenstein ein großer Vorteil. Immerhin hat die langfristige Vermögensverwaltung hierzulande große Tradition. Entsprechend ist auch sehr qualifiziertes Personal anzutreffen, das aber nicht nur aus Liechtenstein kommt, sondern auch aus der Schweiz, Österreich und Deutschland. Über 50% der Arbeitnehmer sind Pendler aus diesen Ländern.
IPE D.A.CH: Wir hatten ja im letzten Jahr über das Thema ESG gesprochen. Dieser Themenbereich ist weiterhin stark im Fokus bei Ihnen?
IPE D.A.CH: Natürlich, auch 2021 steht dieses Thema ganz oben auf der Agenda. Gerade letzte Woche hat der LAFV Liechtensteinische Anlagefondsverband in Kooperation mit PwC in Liechtenstein ein Webinar zum Thema ESG („Fondsplatz Liechtenstein und Nachhaltigkeit - Was Fondspromotoren und Vermögensverwalter wissen müssen“) durchgeführt. Die Veranstaltung stiess auf sehr große Resonanz. Wir freuen uns darüber, dass sich der Standort Liechtenstein auch hier wieder als Center of Competence erfolgreich positionieren konnte. Auf der Webseite von PwC kann man sich natürlich die Aufzeichnung des Webinars vom 25. März ansehen!
IPE D.A.CH: Vielen Dank für das Gespräch.
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*) Markus Hill ist unabhängiger Asset Management Consultant in Frankfurt am Main. Kontakt: info@markus-hill.de; Website: www.markus-hill.de
David Gamper ist Geschäftsführer des LAFV Liechtensteinischer Anlagefondsverband, der offiziellen Interessenvertretung der Liechtensteinischen Fondsbranche. Der LAFV macht es sich zur Aufgabe, die Entwicklung des Fondsplatzes Liechtenstein zu fördern und dadurch dessen Attraktivität für Fondsanbieter und Anleger weiter zu verbessern.
Link zum LAVF
Link (Aufzeichnung / PwC) „ESG Webinar – Fondsplatz Liechtenstein und Nachhaltigkeit - Was Fondspromotoren und Vermögensverwalter wissen müssen“