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Expertenbeitrag: Künstliche Intelligenz im Asset-Management – Neue Chancen und Grenzen

Seit der Entwicklung von sogenannten Robo-Advisorn im Anlagebereich hat der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) im Investmentprozess immer mehr an Aufmerksamkeit gewonnen. Oft wird die KI dabei im Zusammenhang mit Begriffen wie maschinelles Lernen, Deep Learning sowie Big Data genannt, wodurch das Thema noch komplexer und schwer zu durchdringen ist. Unabhängig von den unterschiedlichen Teilbereichen: Künstliche Intelligenz kann auf vielfältige Art zu neuen Anlage-Ideen und robusteren Portfolioallokationen führen. Und zwar über das gesamte Spektrum der Wertschöpfungskette einer Vermögensverwaltungsgesellschaft.

Vincent Weber

Die Idee der KI nicht neu. Der Begriff wurde schon lange vor Beginn des 21. Jahrhunderts geprägt. Bereits 1956 haben Forscher auf einer Konferenz des Dartmouth College den Begriff verwendet, um Maschinen zu beschreiben, die die gleichen Eigenschaften wie das menschliche Gehirn besitzen. Diese Idee der "Allgemeinen KI" faszinierte schon damals die Menschen, doch die Umsetzung scheiterte an den technischen Grenzen. Auch heute sind wir noch nicht wirklich sehr viel weitergekommen und können mit der vorhandenen, aber sich ständig weiterentwickelnden Computerleistung nur die Stufe der "Begrenzten KI" erreichen. Diese konzentriert sich darauf, einzelne, spezifische Aufgaben genauso gut oder besser zu erledigen als der Mensch und umfasst zum Beispiel die Gesichtserkennung, selbstfahrende Autos oder das Klassifizieren von Bildern.

Die inhärente "Intelligenz" dieser Systeme beruht dabei zum Beispiel auf den Methoden des maschinellen Lernens (ML). Entgegen der weit verbreiteten Meinung ist ML somit nicht gleich KI, sondern stellt lediglich eine Unterkategorie dar, neben Sprach- und Bilderkennung, natürlicher Sprachverarbeitung, Planung, Disposition & Optimierung sowie Expertensystemen und der Robotik (siehe Grafik).



Quelle: Prime Capital

Im Kern repräsentiert das ML die Verwendung von Algorithmen, um Daten zu analysieren, daraus zu lernen und dann eine Vorhersage zu treffen. Dabei werden Methoden aus der Statistik und der Informatik kombiniert und in Supervised-, Unsupervised-, Reinforcement-, und Deep Learning eingeteilt.

Bei einem „Supervised Learning“ Problem steht jeder Inputvariable eine Outputvariable gegenüber. Basierend auf den vorhandenen Informationen kann dann eine Beziehung zwischen den Inputs und dem zu beobachteten Output hergestellt werden. Mit „Supervised Learning“ können Banken beispielsweise die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden auf Basis von beobachtbaren Variablen, wie Einkommen, Gesamtvermögen oder Familienstand evaluieren. Bereits vorhandene Kundeninformationen werden kalibriert und dann auf die neue Situation angewendet.

Beim „Unsupervised Learning“ sind lediglich Inputdaten vorhanden, es gibt jedoch keine assoziierten Output-Daten dazu. Der Algorithmus versucht hier, auf Basis der vorhandenen Ausgangsdaten eine Beziehung zwischen den Beobachtungspunkten herzustellen. Vor allem die Cluster-Analyse findet in diesem Bereich Anwendung. Sie teilt die Daten mit ähnlichen Charakteristiken in eine Gruppe ein. So können beispielweise Aktien algorithmisch nach Risikoeigenschaften gruppiert werden und somit die klassische Gruppierung nach Branchenzugehörigkeit ersetzen.

Kombiniert man die Methoden des „Supervised-“ und „Unsupervised Learnings“, erreichen wir das Gebiet des "Reinforcement Learnings": Beim Reinforcement Learning versucht ein Algorithmus zunächst selbstständig Muster zu erkennen und wertet dann seine Entscheidung mit Hilfe eines Feedback-Mechanismus aus. Solche Algorithmen sind zum Beispiel die Grundlage von adaptiven Handelssystemen, die zunächst selbstständig einen Trade ausführen, der dann aufgrund von Gewinnen bzw. Verlusten evaluiert wird.

Die Methoden der letzten Gruppe, die des „Deep Learnings“, basieren auf der Idee neuronaler Netze. Sie kommen der Vorstellung, das menschliche Gehirn nachzubilden, wahrscheinlich am nächsten. Im Allgemeinen besteht ein neuronales Netz aus verschiedenen Schichten von Neuronen, die mit anderen Neuronen verbunden sind und die Eingangsdaten mit Hilfe einer nicht linearen Funktion evaluieren. Die Idee der neuronalen Netze ist allerdings nicht neu und existiert bereits seit den Anfängen der KI-Revolution. Diese Methoden sind jedoch sehr „datenhungrig“ und benötigen eine enorme Rechenleistung, was sie in der Praxis bisher eher inadäquat gemacht hat. Allerdings haben sie, aufgrund der zunehmenden Verfügbarkeit von Daten und der immer günstigeren Rechenleistung, in den letzten Jahren wieder an Bedeutung gewonnen.

Aufgrund der zunehmenden Popularität der KI und ihrer Methoden haben auch Vermögensverwalter damit begonnen, diese Techniken entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette einzusetzen, um Investitionsprozesse zu verbessern. In einem ersten Schritt kann dabei ein „Unsupervised Learning“-Algorithmus, wie die Hauptkomponentenanalyse, zum Einsatz kommen, um aus einem breiten Universum von Finanzmarktdaten eine begrenzte Anzahl von Prognoseindikatoren abzuleiten. Diese neuen, algorithmisch erstellten Indikatoren können wiederum in einem zweiten Schritt von einem „Supervised Learning“ Algorithmus, wie die lineare Regression, verwendet werden, um zum Beispiel Vermögensrenditen zu prognostizieren und ein entsprechendes Kauf-oder Verkaufssignal zu erzeugen.

Die meisten der heute im Asset-Management angewandten Methoden basieren jedoch auf dem Gebiet des „Supervised Learnings“. Insofern reichen die klassischen Modelle, die bereits in der Statistik entwickelt wurden, oftmals aus, um den Großteil der Handelssignale in den zugrundeliegenden Daten zu erfassen. Da Finanzpreise einer fast zufälligen Entwicklung folgen, ist der Informationsgrad, auf dessen Basis neue Anlage-Ideen entwickelt werden können, limitiert. Komplexe Modelle, die viele Informationen für eine akkurate Kalibrierung benötigen, führen somit eher zu Verzerrungen, anstatt tatsächliche neue Trends zu identifizieren. Neuronale Netze müssen daher noch warten, bis ausreichend Daten zur Verfügung stehen, damit diese Algorithmen verlässlich kalibriert werden können. Auch wenn die KI in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat, erfordert der Investmentprozess nach wie vor einen Experten, der stets über die Inputs und Trainingsumgebung dieser Modelle entscheidet.

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*) Vincent Weber ist Managing Director Absolute Return, Prime Capital AG