Die Abflüsse der vergangenen Monate und die damit verbundene Schwächephase asiatischer Anleihen könnten bald ein Ende finden. Voraussetzung dafür wäre aus unserer Sicht, dass die US-Notenbank Fed angesichts einer drohenden Rezession bei ihrer geldpolitischen Straffung nachgibt und gleichzeitig die chinesische Wirtschaft nach den Corona-bedingten Einschränkungen wieder hochfährt. Dieses Szenario ist im Markt vielleicht nicht unbedingt konsensfähig, aber wir würden es nicht ausschließen. Denn es sind bereits sehr viele Fed-Zinserhöhungen binnen kurzer Zeit am Markt eingepreist, auf bis zu 4,5%. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass die Regierung in Peking ihre politischen Zügel etwas lockert, etwa hinsichtlich des Immobilien- und Technologie-Sektors. Der Markt hat diese Signale bislang kaum positiv gewürdigt, da andererseits nach wie vor die Zero-Covid-Politik in Kraft ist. Im Falle entsprechender Lockerungen könnte sich die Investorenstimmung aufhellen, zumal chinesische Anleihen attraktiv bewertet sind – allerdings mit deutlichen Unterschieden.
Chinesische Staatsanleihen bleiben uninteressant
Chinesische Staatsanleihen sind unserer Ansicht nach auch weiterhin nicht gerade interessant. Zwar dürfte die anhaltend lockere Politik der People’s Bank of China weiterhin Unterstützung bieten, und dennoch bleiben wir vorsichtig. Denn zum einen sind die Renditen aktuell so gering, dass bei den Kursen generell wenig Aufwärtspotenzial besteht. Aktuell bieten beispielsweise US-Staatsanleihen höhere Renditen als ihre Pendants aus dem Reich der Mitte. Wir gehen davon aus, dass sich die Renditen chinesischer Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit bis Ende 2022 zwischen 2,6 und 2,85% bewegen werden. Zum anderen dürfte die anhaltende Divergenz in der Geldpolitik der USA und Chinas zu einer längeren Schwächephase des Renminbis führen, zulasten der Gesamtrendite chinesischer Staatspapiere, die auf die einheimische Währung lauten. Der Ausblick für die Währung im Reich der Mitte bis Ende 2022 dürfte erstens davon abhängen, wie viele weitere Zinserhöhungen die Fed vornimmt. Zweitens spielt die Erholung der chinesischen Wirtschaft eine wesentliche Rolle. Sollten die Wachstumssorgen in den USA zunehmen und die Inflation zurückgehen, könnte der Renminbi leicht aufwerten. Wir erwarten, dass er sich bis Ende 2022 zum US-Dollar in einer Spanne zwischen 7 und 7,2 bewegen wird. Diese Mischung macht chinesische Staatsanleihen unserer Meinung nach anfällig für weitere Mittelabflüsse.
Immobilien- und Technologiepapiere stehen im Fokus
Im Gegensatz dazu sind chinesische Unternehmensanleihen einen Blick wert. Denn nach den Abverkäufen der vergangenen Monate sind die Bewertungen sehr interessant. Das gilt zum einen insbesondere für Investmentgrade-Anleihen aus dem Immobiliensektor. Hier schauen wir vor allem auf China Vanke, denn die Gesellschaft dürfte unserer Meinung nach gestärkt aus der Krise hervorgehen – dank ihres soliden Kreditprofils und ihres Status als Unternehmen in Staatshand. Diese beiden Faktoren sollten China Vanke auch weiterhin Zugang zu inländischen Finanzierungen ermöglichen. Zum anderen sind Papiere aus dem Technologiesektor besonders attraktiv. Hier gefallen uns unter anderem Tencent und Alibaba. Denn deren Risikoaufschläge im Vergleich zu Wettbewerbern aus den USA befinden sich unserer Ansicht nach momentan auf Rekordhochs. Vorsichtig bleiben wir bei chinesischen Konsumwerten. Denn es besteht weiterhin Unsicherheit bezüglich der Corona-Pandemie – auch wenn wir davon ausgehen, dass es in den kommenden Monaten Lockerungen geben wird.
Auch über China hinaus bieten asiatische Anleihen aktuell besondere Chancen. Denn die Risikoaufschläge sind angesichts der drastischen Zinserhöhungen in den USA deutlich gestiegen. Vorsicht ist geboten bei Sri Lanka, das bereits zahlungsunfähig ist, aktuell den Internationalen Währungsfonds um Unterstützung ersucht und anschließend seine Schulden restrukturieren will, sowie beim hoch verschuldeten Pakistan. Beide leiden unter einem Funding-Engpass seitens ausländischer Investoren.
Indonesische Quasi-Sovereigns sind ebenfalls einen Blick wert
Abseits dieser zwei Länder befinden sich die asiatischen Staaten in insgesamt guter finanzieller Verfassung. Fast drei Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie gibt es ermutigende Signale, dass viele Staaten zur Normalität zurückgekehrt sind oder zumindest gelernt haben, mit dem Virus zu leben. Dies gilt vor allem für die Netto-Rohstoffexporteure, die vom aktuellen Rohstoff-Boom profitieren. In beiden Fällen nimmt der Druck auf die wirtschaftlichen Aktivitäten ab.
Vor diesem Hintergrund sind unserer Meinung nach vor allem auch quasi-staatliche Papiere aus Indonesien einen Blick wert, unter anderem vom Öl- und Gaskonzern Pertamina, vom Stromversorger Perusahaan Listrik Negara und vom Aluminiumkonzern Indonesia Asahan Aluminium Persero. Denn die Fundamentaldaten Indonesiens sind nach wie vor stark, gerade auch im Vergleich zu anderen Schwellenländern mit ähnlichen Kredit-Ratings. Auch Thailand und die Philippinen zählen unserer Ansicht nach zu den fundamental stärkeren asiatischen Schwellenländern.
---
*) Nigel Foo, Leiter asiatische Anleihen bei First Sentier Investors