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Kommentar: In den Schwellenländern locken Lokalwährungsanleihen

Die Anlageklasse bietet vergleichsweise hohe Kuponerträge und die Aussichten auf Kursgewinne. Vor allem überzeugen die wirtschaftlichen Rahmendaten, günstig bewertete Währungen, Diversifikationsvorteile und die Chancen, die aktives Management hier weiterhin bietet.

Yoram Lustig

Schwellenländeranleihen in Lokalwährung spielen in vielen festverzinslichen und Multi-Asset-Portfolios so gut wie keine Rolle. Noch immer sehen viele Anleger sie als zu riskant an. Gerade vor dem Hintergrund, dass sich die Weltwirtschaft langsam von den negativen Folgen des Coronavirus erholt, können lokale Schwellenländeranleihen als einkommensgenerierende Wachstumsanlage durchaus eine wichtige Rolle in den Anleger-Portfolios einnehmen. Fünf Gründe sprechen dafür, dass Lokalwährungsanleihen aus den Emerging Markets (EM) eine attraktive Anlagemöglichkeit für Anleger mit angemessener Risikotoleranz und gut diversifizierten Portfolios sind.

1. Erträge: Hohe Renditen in einer Niedrigzinswelt
Der Rückgang der Zinssätze in den entwickelten Märkten war ein entscheidender säkularer Trend der letzten vier Jahrzehnte. Verlangsamtes Wirtschaftswachstum, alternde Bevölkerungen und sinkende Inflation haben dazu ebenso beigetragen wie die Tatsache, dass die Zentralbanken im Kampf gegen vier große Krisen die Leitzinsen senken mussten: die Rezession Anfang der 1990er Jahre, das Platzen der Technologieblase im Jahr 2000, die globale Finanzkrise 2008-2009 und die Corona-Pandemie 2020. Drei Jahrzehnte und vier Krisen haben dazu geführt, dass die kurzfristigen Zinssätze und die längerfristigen Anleiherenditen um den Nullpunkt herum liegen.

Schwellenländeranleihen in Lokalwährung hingegen bieten weiterhin Renditen, die klar im Plus liegen. So beträgt die durchschnittliche Rendite des entsprechenden globalen Rentenindex 4,3%, während fünfjährige US-Treasuries, deutsche Bundesanleihen und britische Gilts bei 0,42%, -0,74% und -0,03% rentieren (Stand: Ende Januar 2021). Mit anderen Worten, der Risikoaufschlag (Spread) von EM-Lokalwährungsanleihen gegenüber US-Anleihen betrug 3,9 Prozentpunkte. Historisch gesehen ist dies zwar kein besonders großer Spread, aber in einer Welt mit niedrigen Renditen sind zusätzliche 3,9% ein attraktiver Aufschlag. Schließlich entspricht er beinahe dem zehnfachen der fünfjährigen US-Treasury-Rendite.

2. Wirtschaftliche Vorteile der Schwellenländer: Wachstum, Demografie und Erträge
Die Schwellenländer sind aus drei Hauptgründen strategisch attraktiv. Erstens ist ihre geschätzte mittelfristige Wirtschaftswachstumsrate höher als die der Industrieländer. Zweitens ist ihre Bevölkerung jünger, und drittens könnten ihre heute höheren Renditen im Laufe des nächsten Jahrzehnts sinken, da ihre Volkswirtschaften weiter reifen. Das hätte entsprechende Kursgewinne zur Folge. Zusammengenommen können diese Faktoren Schwellenländeranleihen spürbaren Rückenwind bieten.

Dabei gilt es, zwischen Hartwährungsanleihen und solchen in Lokalwährung zu differenzieren: Auf US-Dollar lautende Schwellenländeranleihen können voraussichtlich von sinkenden Risikoprämien profitieren, da sich die Kreditqualität der Schwellenländer verbessern sollte. Allerdings sind sie stark von der US-Renditekurve abhängig und werden von sinkenden Schwellenländerzinsen daher weniger profitieren als Papiere in Lokalwährung. Deren Entwicklung hängt weit stärker von den lokalen Renditekurven der Schwellenländer ab. Das bedeutet, dass Anleger in dieser Anlageklasse nicht nur von Kuponerträgen profitieren können, sondern auch von potenziellen Kursgewinnen aufgrund sinkender Zinsen in den Emerging Markets.

3. Gesamterträge: Die Bewertung von Schwellenländerwährungen
Der starke Anstieg der Preise von Finanzanlagen seit April 2020 hat dazu geführt, dass viele Bewertungen im Vergleich zu ihrer Historie sehr ambitioniert erscheinen. Die Kursniveaus einiger Aktienmärkte befinden sich in der Nähe von Rekordhochs, die Renditen einiger Staatsanleihen in der Nähe ihrer Rekordtiefs, und die Kredit-Spreads sind eng – einschließlich derjenigen lokale EM-Bonds. Angesichts der heute hohen Bewertungen ist zu erwarten, dass die zukünftigen langfristigen Erträge eher gering ausfallen werden.

Eine Anlageklasse indes, die attraktiv – ja sogar billig – bewertet ist, sind Schwellenländerwährungen. Der Wert eines Korbs von EM-Währungen fiel von Juli 2010 bis Januar 2021 um rund 43%; der US-Dollar-Index wertete im gleichen Zeitraum um etwa elf Prozent gegenüber einem Währungskorb auf.

Mehrere Gründe sprechen für eine Aufwertung der Schwellenländerwährungen im Laufe der Zeit. Dazu zählen neben den derzeit sehr niedrigen Bewertungen insbesondere die genannten wirtschaftlichen Vorteile. Hinzu kommt, dass die US-Währung sich abschwächen könnte, weil sie den Zinsvorteil verloren hat, den sie vor der Pandemie hatte und fiskalische und monetäre Anreize zu einem reichlichen Angebot an US-Dollar geführt haben.

Beide Entwicklungen sprechen für Schwellenländeranleihen in lokaler Währung, korreliert ihre Performance doch meist positiv mit den EM-Währungen und negativ mit dem US-Dollar. Effektiv handelt es sich bei EM-Lokalwährungsanleihen um eine Investition in zwei Anlageklassen – EM-Staatsanleihen und EM-Währungen. Dabei ist es insbesondere die günstige Bewertung von EM-Währungen und weniger diejenige von EM-Anleihen, die die Gesamtrendite von EM-Lokalanleihen in den nächsten zehn Jahren bestimmen könnte.

4. Diversifikationsvorteile: Risiken reduzieren
Schwellenländeranleihen in Lokalwährung sind eine Risikoanlage. In Stresssituationen neigen die Spreads dieser Papiere dazu, sich auszuweiten, da die Anleger eine höhere Entschädigung für das Halten risikoreicherer Anleihen verlangen, als es für sicherere Anleihen der entwickelten Märkte der Fall ist. Darüber hinaus sinkt der Wert von Schwellenländerwährungen tendenziell, wenn Anleger ihr Risiko reduzieren und in sichere Währungen wie den US-Dollar flüchten. Lokale EM-Schuldtitel sind daher eine volatile Anlageklasse, die sowohl von den EM-Währungen als auch von der Entwicklung der Risikoaufschläge der zugrunde liegenden Anleihen abhängig ist.

Aus diesen Gründen sollten Anleger EM-Lokalwährungsanleihen nur als Teil eines gut diversifizierten Portfolios halten. Da die Korrelation von lokalen Schwellenländeranleihen zu anderen traditionellen Anlageklassen vergleichsweise gering ist, kann eine moderate Gewichtung der Papiere im Portfolio das Gesamtrisiko tatsächlich – und vielleicht kontraintuitiv – sogar senken. Das gilt insbesondere für Portfolios mit einem Fokus auf wachstumsorientierte Anlageklassen.

5. Aktiver Vorsprung: Chancen, Mehrwert zu erzielen
Bei der Allokation in lokale EM-Anleihen kann ein aktiver Investmentansatz von Vorteil sein. Dafür gibt es zwei Gründe. Der erste bezieht sich auf die Performance. Die Rendite lokaler EM-Anleihen setzt sich aus drei Elementen zusammen: Kuponerträge, Kapitalgewinne oder -verluste aufgrund der Zinsentwicklung (Durationsrisiko) und Währungsbewegungen (Währungsrisiko). Kurzfristig stammt die meiste Performance aus der volatilsten Komponente der Währungsbewegung. Langfristig gesehen stammt der Großteil der Performance jedoch tendenziell aus der am wenigsten volatilen Komponente der Kuponerträge. Ein aktiver Ansatz, der den Schwerpunkt auf das Ernten von Kupons, die sorgfältige Steuerung des Währungsrisikos und das Vermeiden großer Wetten auf das Durationsrisiko legt, hat das Potenzial, kontinuierlich Mehrwert zu schaffen.

Der zweite Grund, warum wir glauben, dass für ein aktives Management von lokalen EM-Anleihen spricht, ist die große Bandbreite an Anlagemöglichkeiten, die die Anlageklasse bietet. EM-Anleihen decken eine Vielzahl von Emittenten ab – darunter China, Mexiko, Brasilien, Südafrika, Russland und Polen – und bieten Möglichkeiten zur Diversifizierung über unterschiedliche Zinszyklen. Da die Anlageklasse nicht so stark erforscht ist wie einige andere und weil ihre Volatilität oft zu einer Divergenz zwischen den Preisen und dem inneren Wert führt, können erfahrene Vermögensverwalter durch Wertpapierauswahl, Länderallokation und umsichtiges Durations- und Währungsmanagement einen Mehrwert schaffen. In einem Niedrigzinsumfeld, in dem die Spreads eng sind, ist der potenzielle Mehrwert durch aktives Management sogar noch wichtiger.

Der Vorteil von Environment, Social und Governance (ESG) Anlagekriterien
Neben den genannten Eigenschaften spricht für Lokalwährungsanleihen ein weiterer Faktor: Staatliche Emittenten aus Schwellenländern, die in der Lage sind, die Kapitalmärkte über Anleihen in ihrer eigenen Währung zu erschließen, sind statistisch gesehen zuverlässiger als Emittenten, denen diese Möglichkeit verwehrt wird. Länder mit lokalen Märkten, die für internationale Investoren zugänglich sind, haben in der Regel die notwendigen regulatorischen Verbesserungen vorgenommen und einen institutionellen Rahmen entwickelt, um sich zu etablieren. Dies geht Hand in Hand mit einer im Durchschnitt höheren Kreditqualität der Anlageklasse und einer potenziell besseren ESG-Bewertung.

Lokale EM-Anleihen bieten daher sowohl strategische als auch taktische Anlagemöglichkeiten für Investoren; gleichzeitig überzeugen sie mit durchschnittlich höheren ESG-Bewertungen im Vergleich zu anderen EM-Anlagen. In Märkten, in denen viele Vermögenswerte überzogene Bewertungen, enge Spreads und niedrige Renditen aufweisen, sollten Anleger Schwellenländeranleihen in lokaler Währung als potenzielle Ertrags- und Wachstumsquelle in ihren Portfolios in Betracht ziehen.

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*) Yoram Lustig, Head of Multi-Asset Solution, EMEA, T.Rowe Price