Auf der jährlichen Fachmesse Zweite Säule mit parallelem Symposium zeigte sich auch dieses Jahr wieder, dass die im benachbarten Ausland oft zitierte, fast schon stoische Ruhe der Schweizer eine harte Grenze hat – nämlich, wenn es um Themen der Altersvorsorge geht.
In den letzten Jahren stand das Schweizer Stimmvolk bei dem Anlass fast regelmäßig entweder vor einem Referendum zur ersten Säule, einem zur betrieblichen Altersvorsorge oder einer allgemeinen Wahl.
Dieses Jahr soll – wie seit kurzem feststeht – am 22. September über eine Reform der zweiten Säule, also des BVG (berufliche Alters-, Hinterlassen- und Invalidenvorsorge) abgestimmt werden. Einerseits soll dabei der Umwandlungssatz, mit dem das Altersguthaben verrentet wird, von 6,8% auf 6% gesenkt werden. Andererseits sollen die Eintrittsschwellen in die obligatorische betriebliche Altersvorsorge gesenkt werden, damit auch Geringverdiener und Teilzeit-Beschäftigte in dieser Säule ansparen können.
Für diese Maßnahmen braucht es aber eine Anhebung des Sparbeitrags der arbeitenden Bevölkerung – für jüngere erhöht sich der Beitrag von 7% auf 9%. Im Alter soll er aber letztendlich sogar von 18% auf 14% stufenweise sinken.
Bei einer hitzigen Panel-Diskussion beim Symposium Zweite Säule, das jährlich vom Fachverlag vps.epas organisiert wird, zeigten sich die üblichen Gräben zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretung.
Aber am Rande der Messe erläuterte ein Vertreter einer Pensionskasse mit 28 Mrd. Schweizer Franken (knapp 29 Mrd. Euro) AuM, warum auch er und andere aus der Branche gegen die Reform sind.
Viel Aufwand für wenige
Bei seiner eigenen PK wären von den Änderungen im Umwandlungssatz weniger als 0,01% der Berechtigten betroffen. Die Ausgleichszahlungen für die Übergangsgenerationen, die allerdings zu einem Großteil vom Staat getragen würden, würden jedoch in die Milliarden Schweizer Franken gehen.
Tatsächlich sind drei Viertel der Schweizer derzeit bereits in Kassen versichert, die es sich leisten können, den Umwandlungssatz auf Leistungen der Arbeitgeber, die über das BVG-Minimum hinausgehen, an den aktuellen Zinssatz für aktiv Sparende anzugleichen – also teilweise 3% oder sogar weniger. Aus dem Durchschnitt mit dem obligatorischen Satz ergibt sich somit ein faktischer sogenannter „umhüllender Umwandlungssatz“ von rund 5% im Durchschnitt der Kassen.
Somit konnte die Branche selbst jene Umverteilung zwischen aktiven und Rentnern bereits stoppen, die die Regierung seit Jahrzehnten versucht, mit Reformen zu bekämpfen. Meistens scheiterten die Vorhaben jedoch an Referenden. Seit Einführung des BVG wurde der Satz genau einmal – schrittweise zwischen 2006 und 2014 von 7,2% auf 6,8% - angepasst.
Viel Lärm um das Falsche
Mehr oder weniger einig war sich das Podium an der Fachmesse auch, dass die Reform eigentlich hinterherhinke. Der Pensionskassenfachverband Asip, vertreten durch Direktor Lukas Müller-Brunner, bestätigte, dass „ein großer Teil der Reform“ schon durch die Branche vorweggenommen wurde.
Die Gewerkschaftsvertreterin, Gabriela Medici vom SGB, kritisierte vor allem die Steigerung des Sparanteils: „Ein Kompromiss für eine leistbare Altersvorsorge für die Mehrheit konnte nicht erreicht werden.“ Die jetzt vorgelegten Vorschläge seien „völlig aus der Zeit genommen“, weil ihrer Ansicht nach, die Kassen jetzt wieder über mehr Geld verfügen und den Umwandlungssatz sogar anheben könnten.
Die Arbeitgebervertreterin, Barbara Zimmermann-Gerster vom Schweizer Arbeitgeberverband, fürchtet jedoch, dass man „ohne die Reform in den 80er-Jahren steckenbleiben“ werde. Unternehmen erhoffen sich, durch die niedrigere Eintrittsschwelle in die zweite Säule Arbeitskräfte anzulocken.
Doch die anderen Diskussionen beim Symposium zeigten deutlich, dass die Reform an den eigentlichen Bedürfnissen der Bevölkerung weitestgehend vorbeigeht. In anderen Debatten ging es um Individualisierung der Wahlmöglichkeiten innerhalb einer Pensionskasse oder sogar um die freie Pensionskassenwahl. Es ging um eine Ausweitung der Hinterbliebenenrente auf Partner ohne Kinder und um eine Abschaffung des sogenannten Koordinationsabzuges, der bestimmt, welcher Teil des Lohnes von der ersten, welcher in der zweiten Säule abgedeckt wird – alles keine Themen in der Reformvorlage, die am 22. September zur Abstimmung kommt.