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Wahlkampf in Österreich: Versenkte Billion für Pensionisten oder Kaufkrafterhaltung?

Eine Paneldiskussion in Wien zwischen Pensionskassen, Gewerkschaften und Ökonomen ist diese Woche in typische Wahlkampf-Floskeln abgedriftet.

Einig waren sich die Diskutierenden nur, dass mit mehr Kindern und mehr Vollzeitarbeitenden alles besser wäre. Ansonsten klafften die Ansichten über den Zustand der ersten Säule bzw. über die Sinnhaftigkeit von Zuschüssen in das staatliche Rentensystem (in Österreich „Pensionssystem“ genannt) deutlich auseinander.

Zunächst betonte Gabriel Felbermayr, Direktor des Wirtschaftsforschungsinstitutes Wifo, dass zwar schon lange vor den Folgen der demographischen Entwicklung auf das staatliche Versorgungssystem gewarnt worden ist, dass aber „jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo sich Dinge dynamisch entwickeln werden“.

Das sieht auch Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV) so: „Bis 2050 wird den Staat die Pensionslücke eine Billion Euro kosten. Es ist geradezu ein Sakrileg, eine solche Summe in ein nicht nachhaltiges Pensionssystem zu versenken, wenn das Geld für andere Dinge ausgegeben werden sollte.“ Als Beispiele nannte er Bildung und Infrastruktur.

Diese Aussage löste die Standard-Reflex-Antwort der Gewerkschaftsvertretung auf dem Podium aus. Barbara Teiber, Bundesvorsitzende der Gewerkschaft GPA, zeigte sich entrüstet, dass bei Ausgaben für Pensionen von „Geld versenken“ die Rede sei. „Damit wird Altersarmut vermieden, wie wir sie in vielen anderen Ländern sehen, z.B. in Deutschland durch die Riester-Rente.“ Damit begann sie ihren Rundumschlag gegen die kapitalgedeckte Altersvorsorge, die „die Kaufkraft nicht erhält“.

Das wiederum rief Andreas Zakostelsky vom Fachverband der Pensions- und Vorsorgekassen als letzten Teilnehmer in der Runde auf den Plan. Er betonte, dass man doch das Gesamtsystem betrachten müsse. Darüber hinaus erläuterte er, dass nur die alten Zusagen, die in der Frühphase des Pensionskassensystems mit hohem Rechnungszins gemacht wurden, nicht kaufkrafterhaltend sind. „Wir haben eigentlich zwei Pensionskassensysteme“, so Zakostelsky.

Letztendlich zeigte sich aber, dass sein Versuch der Konsensfindung bei dieser Podiumskonstellation und im Hinblick auf die im Herbst bevorstehenden Wahlen eher fruchtlos blieb.

Kinder und Vollzeit
Allerdings ergaben sich im Laufe der Diskussion doch ein bis zwei gemeinsame Nenner. Gemeinsam war den Diskussionsteilnehmenden, die Warnung vor dem anhaltenden Trend zu mehr Teilzeitarbeit.

Auch eine kürzlich durchgeführte repräsentative Umfrage unter Jugendlichen zeigte, dass drei Viertel sich Sorgen machen, kein Geld mehr aus der ersten Säule zu erhalten. Dazu ergänzte Helmenstein: „Junge Menschen sind nicht gut informiert über die Folgen von Teilzeitarbeit.” Er sieht diese Arbeitsform im derzeitigen System als „ein Instrument, das mit hoher Wahrscheinlichkeit Altersarmut befördert.” Andererseits würden ohne Teilzeitangebote „Frauen ihre Erwerbsfähigkeit gar nicht am Arbeitsmarkt anbieten“. Deshalb plädierte er für bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten – und das entsprechende Budget dafür.

„Massiv in Kinderbetreuung zu investieren“, das forderte auch Teiber. Sie sieht außerdem den Schlüssel zur Rettung des Umlageverfahrens in der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der Erhöhung der Erwerbsquote und der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters. Dieses liegt in Österreich vor allem bei Männern noch immer bis zu fünf Jahre unter dem gesetzlichen. „Der Schlüssel für die Finanzierung des staatlichen Pensionssystems ist eine hohe Beschäftigung“, so Teiber. Damit Menschen gesund in den Ruhestand gehen können müsste die „Arbeitswelt altersgerechter gemacht werden“.

Felbermayr brachte eine bei der Gewerkschaft äußerst unbeliebte Forderung aufs Tapet: „Die indizierte Anhebung des Pensionsantrittsalters und das müsste so schnell wie möglich in die Wege geleitet werden.“ Seine Kollegin vom Wifo, Christine Mayrhuber, die vor kurzem den Vorsitz der Alterssicherungskommission übernommen hat, hatte sich öffentlich dafür ausgesprochen erst in zehn Jahren über einen solchen Schritt nachzudenken. „Es ist nicht besonders klug, jetzt zu sagen, dass wir zehn Jahre lang nicht darüber nachdenken“, so Felbermayr am Podium.

Helmenstein warnte jedoch davor „den deutschen Weg zu gehen“ und das Pensionsantrittsalter auf 67 oder 70 anzuheben. „Da würde man einen politischen Kraftakt stemmen und dann nichts mehr machen.“ Auch er sprach sich dafür aus, dafür zu sorgen, dass „die Menschen in diesem Land effektiv länger arbeiten und gesund in Pension gehen“. Das wären für ihn auch Ausgaben, die der Staat tatsächlich tätigen müsste, um die Kaufkraft der Menschen im Alter zu erhalten.

Über alternative Arbeitszeitmodelle wie die Vier-Tage-Woche bzw. sonstige Reformen der Arbeitswelt wurde übrigens gar nicht gesprochen.