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„Die entscheidende Frage ist, wie der Ausstieg aus fossilen Energieträgern finanziert werden soll“

CO2-Zertifikate haben sich zu einem wichtigen Finanzprodukt entwickelt – sowohl im verpflichtenden EU-Emissionshandel wie auch im freiwilligen Markt für Kompensationen von CO2-Emissionen. Die globale Klimapolitik sei dafür ein wichtiger Treiber, wobei bei der COP 28 in Dubai wichtige Weiterentwicklungen anstanden, wie Armin Sandhoevel*, CIO der Münchner act to impact AG und Referent beim 210. Hedgework im Dezember 2023, erklärt.

Armin Sandhoevel

Hedgework: Herr Sandhoevel, was fasziniert Sie an „grünen“ Themen in den Finanzmärkten?
Sandhoevel: Ich habe mich immer schon stark für Umweltschutz interessiert und dann zu marktbasierten Instrumenten in der Umweltpolitik promoviert. Meine Grundfrage war immer, wie man stärker Marktmechanismen dazu nutzen kann, die Umwelt zu schützen und eben nicht zu schädigen. Und die Finanzmärkte spielen dabei eine zentrale Rolle, weil sie die Allokation von Kapital verantworten, die es braucht, um Umweltschutz auch zu finanzieren.

Hedgework: Es gilt als ausgemacht, dass Verschmutzung einen Preis bekommen muss, damit man diese einschränken kann. Dieser Ansatz dürfte auch hinter dem Handel mit CO2-Zertifikaten stehen. Wie sehen Sie das?
Sandhoevel: Ein besonderer Weg – weil es sich um ein sehr direktes Investieren in die Reduzierung von Treibhausgasemissionen handelt – ist in der Tat der Markt für CO2-Zertifikate. Die Möglichkeit eines Handels mit CO2-Zertifikaten geht als Idee auf das Klimaprotokoll von Kyoto aus dem Jahr 1995 zurück, ist also schon etwas älter. In der Folge wurde dieser Handel mit Verschmutzungsrechten als verpflichtender Handel in vielen Staaten und Regionen eingeführt. Es gibt ihn mittlerweile in Kalifornien genauso wie in China oder Südkorea. Das größte Handelssystem ist der EU-Emissionsrechtehandel. Begonnen im Jahr 2005 verpflichtet er Unternehmen in der EU in den Sektoren Energie, Industrie und Luftverkehr, ihre CO2-Emissionen zu senken. Eventuell zusätzlich benötigte Emissionsrechte können Unternehmen am Handelsmarkt zukaufen. Dabei setzt die EU jedes Jahr die Menge neu fest, wie viel CO2 von den Unternehmen emittiert werden darf und reduziert diese Menge von Jahr zu Jahr.

Hedgework: Würden Sie sagen, dass der Handel die richtigen Preissignale setzt?
Sandhoevel: Die Preise für Zertifikate für jeweils eine Tonne CO2, die beispielsweise an der Energiebörse gehandelt werden, sind von 2017 bis 2022 rasant gestiegen, bewegen sich seitdem aber seitwärts – zuletzt bei rund 70 Euro pro Zertifikat. Wesentlich ist dabei, dass der Preis Unternehmen signalisiert, ab wann es sich lohnt, besser in Energieeffizienzmaßnahmen zu investieren, als Zertifikate am Markt zu kaufen. Am Ende steht hinter dem ganzen System das erklärte Umweltziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Es gibt also in diesem Sinne keinen richtigen Preis, sondern nur eine richtige Gesamtmenge von erlaubten CO2-Emissionen. Und wenn ich als EU die Emissionen stärker senken möchte, muss ich eben die erlaubte Gesamtmenge stärker reduzieren.

Hedgework: Wie rasch und effektiv könnte der CO2-Handel zur Begrenzung der Erderwärmung beitragen?
Sandhoevel: Das hängt vom Willen der Staatengemeinschaft ab. Grundsätzlich ist der Handel das effizienteste Instrument, da er sich ja von einer Verschmutzungsobergrenze ableitet. Dazu müssten aber alle mitmachen. Länder wie die USA, Indien, Brasilien oder Japan müssten ihn flächendeckend einführen. Die EU und China müssten ihn auf alle Sektoren ausweiten. Den politischen Willen dazu sehe ich gegenwärtig allerdings nicht.

Hedgework: Aus Investorensicht gefragt – halten Sie CO2-Zertifikate für ein geeignetes Finanzinstrument und welche Renditen kann man neben der ökologischen Wirkung erzielen?
Sandhoevel: Grundsätzlich können Investoren ähnlich wie mit Währungen oder Rohstoffen auch mit CO2-Emissionsrechten handeln. Zahlreiche Finanzprodukte, etwa Derivate, stellen auf Preisentwicklungen im Markt ab. Insofern gelten bei der Risikoabwägung keine anderen Grundsätze wie etwa bei Erdöl und Erdgas. Setze ich im Gesamtmarktumfeld auf steigende oder fallende Preise? Man darf auch nicht vergessen, dass ähnlich wie für den gesamten Energiemarkt geopolitische Treiber einen erheblichen Einfluss auf die Preisbildung ausüben. Alle Aussagen zur erzielenden Rendite sind insofern mit großer Vorsicht zu genießen.

Hedgework: Nun wird bei den Klimaverhandlungen auch immer vom freiwilligen Handel mit CO2-Zertifikaten gesprochen. Was bedeutet das?
Sandhoevel: Das ist in der Tat ein völlig anderer Marktansatz, der auf freiwillige CO2-Minderungsverpflichtungen von Unternehmen, Städten oder Privatpersonen zumeist in den Industrieländern abstellt. Damit wollen diese ihre Aktivitäten, die mit einem CO2-Ausstoß verbunden sind und den sie nicht vermeiden können oder wollen, mit Klimaschutzprojekten kompensieren, die CO2 einsparen.

Hedgework: Haben Sie ein Beispiel dafür?
Sandhoevel: Der freiwillige Markt ist sehr heterogen und umspannt eine Vielzahl von Projekten – vor allem im globalen Süden – wie etwa der Schutz von Regenwäldern oder Mangroven, die Aufforstung degenerierter Waldflächen, Projekte im Bereich nachhaltiger Landwirtschaft oder die technische Speicherung von CO2. Auch soziale Projekte, die neben Klimaschutz auch auf eine Gesundheitsvorsorge abzielen, können diese Anforderung erfüllen, beispielsweise durch den verstärkten Einsatz effizienter Kochöfen.

Hedgework: Werden solche Zertifikate aus Projekten auch an der Börse gehandelt?
Sandhoevel: Für diese Zertifikate gibt es keine festen Börsenplätze, sie werden in der Regel bilateral – also over the counter – gehandelt. Die Preise variieren dabei sehr stark, abhängig von Qualität, Nachfrage einzelner Projekttypen, Gestehungskosten etc., und schwanken zwischen fünf und 15 US-Dollar. Für einzelne Projekttypen werden jedoch auch deutlich höhere Preise erzielt. Gegenwärtig hat der Markt ein jährliches Volumen von 2 Mrd. US-Dollar, wobei für 2030 mindestens eine Verfünffachung des Volumens vorausgesagt wird.

Hedgework: Wie funktioniert das mit den alternativen Projekten in der Praxis?
Sandhoevel: Der Markt ist durch eine hohe Nachfrage gekennzeichnet. Die Qualität der Projekte wird dabei durch international anerkannte Organisationen gewährleistet, etwa durch den Gold Standard, der vom WWF verantwortet wird. Die Messung der Emissionsminderung und die Kontrolle der konkreten Projekte vor Ort erfolgt dann durch unabhängige Prüfer wie TÜV oder DNV.

Hedgework: Inwiefern können an diesem Markt auch Investoren partizipieren?
Sandhoevel: Für institutionelle Investoren sind im freiwilligen Markt zum einen Direktinvestments in einzelne Projekte denkbar. Für weniger risikobereite Investoren führt der Weg eher über Fondslösungen. Dabei gibt es zum einen Fondsprodukte, die eine klassische Rendite ausweisen, zumeist im niedrigen zweistelligen Bereich, und zum anderen gibt es solche Fondsprodukte, die vergünstigten Zugang zu CO2-Zertifikaten offerieren. Auch Mischformen existieren. Aber der Markt wird sich weiterentwickeln. Gerade die internationalen Klimaverhandlungen geben immer wieder neue Impulse.

Hedgework: Stichwort Klimaverhandlungen – was ist aus Ihrer Sicht bei dem jüngst zu Ende gegangenen Cop 28-Treffen in Dubai herausgekommen?
Sandhoevel: Die öffentliche Wahrnehmung konzentriert sich ja vor allem auf die Frage, ob wir es schaffen, den Einstieg in den Ausstieg aus fossilen Energieträgern zu finden. Dazu hat es in der finalen Erklärung der COP 28 eine entsprechende Formulierung gegeben. Für mich ist jedoch die entscheidendere Frage, wie dieser Ausstieg finanziert werden soll. In der Abschlusserklärung findet sich dazu beispielsweise ein angenommener Investitionsbedarf von 4,3 Billionen US-Dollar allein für globale Investments in saubere Energie, und das jährlich bis 2030. Dass diese Summen aus staatlichen Mitteln aufgebracht werden können, ist nicht vorstellbar. Die internationale Staatengemeinschaft ist meilenweit entfernt von der Deckung dieses gigantischen Kapitalbedarfs.

Hedgework: Das heißt?
Sandhoevel: Das betont die Relevanz privaten Kapitals. Aber zu Investitionen durch private Investoren finden sich nur sehr allgemeine Worte in der Abschlusserklärung. Man könnte auch sagen, dass COP 28 zum Thema „Initiierung privaten Kapitals“ vollkommen konzeptlos ausgegangen ist.

Hedgework: Wir sind also auf keinem guten Weg?
Sandhoevel: Ich würde sagen, dass wir immerhin in vielerlei Hinsicht den Weg in die richtige Richtung eingeschlagen haben. Zumal die Klimaverhandlungen glücklicherweise nur ein Baustein der Debatte sind. Die Dekarbonisierung ihrer Portfolios ist für viele Investoren mittlerweile eine wichtige Aufgabe, die über verschiedene Pfade erfolgen kann. Im liquiden Bereich sind beispielsweise Nachhaltigkeitsfonds eine Möglichkeit. Im illiquiden Bereich ist das weiter aufgefächert: Investments in Erneuerbare Energien, in Batterietechnologien, in die Erzeugung von Wasserstoff oder in Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudesektor. Weitere Möglichkeiten bieten eine nachhaltige Land- oder Forstwirtschaft. Dafür müssen dann natürlich attraktive Investitionsvoraussetzungen geschaffen werden.

Hedgework: Wo stehen wir in dieser Hinsicht?
Sandhoevel: Was auch immer ich als Investmententscheidung treffe, es bedarf für die Behauptung einer Dekarbonisierung klarer Marktregeln. Die ganze Diskussion über Sustainable Development Goals oder regulatorische Maßnahmen der EU, wie die Offenlegungsverordnung oder die Taxonomie-Verordnung, die Kapitalflüsse in nachhaltiges Wirtschaften lenken sollen, sind Beispiele dafür. Nicht zuletzt spielen auch EU-weite Standards zum Reporting und zur Kennzeichnung nachhaltiger Finanzprodukte und die Definition von Produkten, die nachhaltige Anlageziele erreichen – Stichwort Artikel-8- und Artikel-9-Produkte – eine wichtige Rolle, auch für die Attraktivität von den vorhin erwähnten Fonds für CO2-Zertifikate. Daneben sind letztlich auch die Gründung des International Sustainability Standard Boards oder der Bedeutungszuwachs von Organisationen wie dem Carbon Disclosure Project Zeichen für eine erfreuliche Entwicklung des Marktes. Grüne Finanzprodukte müssen qualitativ hochwertig und transparent sein und in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Und Greenwashing muss ausgeschlossen werden, woran neben institutionellen Investoren auch Privatanleger ein gesteigertes Interesse haben.

Hedgework: Ihr Fazit?
Sandhoevel: Das Glas ist halb voll, würde ich sagen!

Hedgework: Besten Dank für die Einblicke.

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*) Armin Sandhoevel ist ein Pionier der grünen Finanzwirtschaft mit nachgewiesener Erfolgsbilanz bei der Entwicklung, Förderung, Mittelbeschaffung und Investition in Projekten zur Bekämpfung von Umweltproblemen. Angetrieben von einer ausgeprägten Leidenschaft für den Schutz von Natur und Umwelt ist er bis dato verantwortlich für rund 10 Milliarden USD an Investitionen in Umweltprojekte. Daneben verfügt er über gute Beziehungen auf höchster Ebene zu einem breiten Spektrum von Interessengruppen im Finanzsektor, bei Regierungsbehörden und bi-/multilateralen Institutionen. Bevor er sich mit der act to impact AG selbstständig machte, war er unter anderem für Allianz Global Investors und die Dresdner Bank tätig. Er hält einen Master of Arts in Political Science der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster und hat einen PhD. in Environmental and Resource Economics an der Carl von Ossietzky-Universität Oldenburg erworben.