Im Jahr 2023 gab es in Deutschland über 25% weniger Baugenehmigungen als im Vorjahr. Die Baukosten sind seit 2016 um mehr als 30% gestiegen, und die Bauzinsen haben sich ebenfalls deutlich erhöht. Gleichzeitig erschweren zum Beispiel lange Genehmigungsprozesse das Neubaupotenzial, was die Preise für Neubauimmobilien und Wohnungen weiter in die Höhe treibt. Bestandsimmobilien rücken damit zunehmend in den Fokus. Denn im Vergleich zu Neubauwohnungen ist der Kaufpreis einer Wohnung im Bestand in vielen Fällen deutlich günstiger als für Neubauwohnungen.
Die 2010er Jahre waren vom Globalverkauf geprägt
Nachdem das Geschäft der Wohnungsaufteilungen bzw. Privatisierungen über Jahrzehnte hinweg als Königsweg etabliert war, gab es während der Boomphase der 2010er-Jahre eine Gegenbewegung. Zum einen, weil hier die Nachfrage nach dem Produkt seitens institutioneller Anleger erstarkte und sich „Wohnen“ als institutionelle Assetklasse etablierte.
Zum anderen war der Globalverkauf von Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern in Zeiten niedriger Zinsen attraktiv, da bei kurzer Vermarktungsdauer Verkäufe zu guten Konditionen möglich waren. Ein weiterer Pluspunkt waren die Skaleneffekte. Da der Verkauf an nur einen Käufer stattfand, waren die Transaktionskosten niedrig. Damit war der Globalverkauf von Mehrfamilienhäusern – häufig strukturiert als Forward Deal – an institutionelle Investoren über Jahre hinweg die beliebteste Verkaufsstrategie.
Mit der Zinswende brach dann ab 2022 der Investmentmarkt ein, sowohl der private als auch der institutionelle Part. Schnell steigende Finanzierungskosten bedingten eine Marktkorrektur, die im professionellen Investmentmarkt stärker ausgeprägt war als im privaten Bereich. Nun, mit einem Wiedererstarken der Wohnungsmärkte und klaren Zeichen für eine Bodenbildung, sieht die Lage anders aus.
Privatisierung: Flexibilität, Risikostreuung, Mehrerlös
Im aktuellen Marktumfeld hat die Privatisierung von Wohneinheiten in Mehrfamilienhäusern gegenüber dem Globalverkauf einige Vorteile.
Der Einzelverkauf bietet den Eigentümern mehr Flexibilität. Im Gegensatz zum Globalverkauf, bei dem das gesamte Mehrfamilienhaus in einer Transaktion veräußert wird, können beim Einzelverkauf die Wohneinheiten sukzessive – und zum jeweils besten Preis – veräußert werden. Dieses schrittweise Vorgehen ermöglicht den Eigentümern eine dynamische Anpassung an die Marktentwicklung. Steigt die Nachfrage nach Wohnraum weiter, können die Preise für die noch nicht verkauften Einheiten entsprechend angehoben werden. Diese Flexibilität ermöglicht es, den Verkaufsprozess strategisch zu gestalten und von Marktveränderungen zu profitieren. Gleichzeitig hängt der Verkauf der Immobilie nicht – wie beim Globalvertrieb – an einem Käufer, stattdessen wird das Käufer-Performance-Risiko beim Exit auf mehrere Schultern verteilt.
Der wichtigste Aspekt, der für eine Privatisierung und den Einzelverkauf von Wohnungen spricht, ist, dass die erzielbaren Preise pro Quadratmeter nun in Relation zum Globalvertrieb wieder attraktiver dastehen. Die Preiskorrektur war im professionellen und institutionellen Investmentsegment stärker ausgeprägt als im kleinteiligen privaten Bereich. Das liegt auch daran, dass Eigennutzer als Käufer anders auftreten und kalkulieren als reine Kapitalanleger. Dies ist zwar bei der Privatisierung eines kompletten Mehrfamilienhauses in der Regel mit einer längeren Vertriebsdauer verbunden, der potenzielle Erlös lässt sich so aber maximieren.
Erfolgreiche Strategie in einem schwierigen Markt
Der Einzelverkauf von Wohneinheiten in Bestandsgebäuden profitiert von steigender Nachfrage. Denn trotz sinkender Zinsen bleiben Eigentumswohnungen im Bestand erschwinglicher als im Neubausegment. Gleichzeitig ist das Fertigstellungsvolumen von Neubauwohnungen gering. Die Käufergruppe für Bestandswohnungen ist dementsprechend groß.
Verkäufer haben dabei die Möglichkeit, auf Marktveränderungen reagieren und dementsprechend Wohnungen individuell bepreisen und zum jeweils besten Preis veräußern zu können, was den Verkaufserlös im aktuellen Markt maximiert. Dabei wird das Risiko auf mehrere Transaktionen verteilt und kontinuierlich Kapital freigesetzt. Angesichts der weiterhin herausfordernden Situation im Investmentmarkt ist die Privatisierung eine vielversprechende und solide Option.
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*) Marcel Hoecker, Geschäftsführer, Lübke Kelber Living.