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Gastbeitrag: Hat Deutschland seinen Status als Safe Haven für Wohnimmobilieninvestoren verloren?

Für Wohnimmobilieninvestoren galt Deutschland bisher immer als Safe Haven: als Investitionsmarkt mit geringem Risiko, der vor allem von einer starken Volkswirtschaft getragen wurde. Die über zehn Jahre anhaltende Niedrigzinsphase beflügelte zudem auch die Nachfrage nach Neubauimmobilien. Der deutsche Immobiliensektor verzeichnete einen Umsatzrekord nach dem anderen und profitierte von den guten Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft.

Adalbert Pokorski

Doch seit dem vergangenen Jahr befindet sich der deutsche Immobilienmarkt in einer neuen Realität. Der hohe Zinsanstieg und die hohe Inflation haben die Nachfrage nach Neubauimmobilien und die Wirtschaftlichkeit von Projektentwicklungen dramatisch einbrechen lassen. Die durch den Ukrainekrieg ausgelöste Energiekrise und Inflation haben zu einer Konjunkturflaute geführt. Dazu gesellen sich noch schon länger bestehende strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft wie Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel und der Rückstand bei der Digitalisierung. Die OECD hat in ihrem Wirtschaftsausblick für 2024 erneut einen Rückstand der deutschen Wirtschaft im Vergleich zu anderen Industrieländern prognostiziert. So soll die deutsche Wirtschaft aufgrund der hohen Abhängigkeit von der Industrie 2024 nur um 0,6% wachsen. Im vergangenen Jahr hat sich das Schlagwort der Deindustrialisierung verbreitet. Gemäß einer kürzlich durchgeführten Umfrage von Deloitte und dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) unter deutschen Industrieunternehmen mit einem Umsatz ab 50 Mio. Euro erwägt ein Drittel der befragten Unternehmen, einen größeren Teil der Produktion, unter anderem aufgrund der hohen Energiekosten, ins Ausland zu verlagern.

Welche Auswirkungen hätte ein kurz- bis mittelfristiger wirtschaftlicher Abschwung auf den Status Deutschlands als Safe Haven für Wohnimmobilieninvestoren? Oder sind diese Sorgen übertrieben?

Nationale und EU-Regulierung bremsten bisher die Motivation, in Wohnimmobilien zu investieren
Die Attraktivität Deutschlands als Standort für Wohnimmobilieninvestoren wurde bisher einerseits durch die wirtschaftliche Stärke als Zugpferd Europas gesteigert. Andererseits wurde die Strahlkraft Deutschlands durch die Regulierungswut im Mietimmobiliensektor wieder eingetrübt. Bedingt durch den starken Anstieg der Mietpreise seit 2010 wurde von staatlicher Seite versucht, den Mieterschutz durch Maßnahmen wie durch die seit 2015 geltende Mietpreisbremse oder das Baulandmobilisierungsgesetz zu erhöhen. Hier wirkte sich vor allem die Entwicklung am Berliner Mietmarkt nachteilig für das Image Deutschlands als attraktiver Wohnimmobilienmarkt aus. Projekte wie das Gesetz zum Berliner Mietendeckel von 2020, das die Miethöhen in Berlin über einen Zeitraum von fünf Jahren staatlich deckeln sollte, prägten das Bild Deutschlands als Ort, wo Vermieter von Bestandsimmobilien keine vernünftige Rendite mehr erzielen können. Ausländische Investoren übersehen dabei oft, dass Gesetze wie jenes zum Berliner Mietendeckel oder das Vorkaufsrecht für Milieuschutzgebiete von den Gerichten wieder gekippt wurden. Für weiteren Unmut sorgt aktuell das geplante Vergesellschaftungsrahmengesetz der Berliner Landesregierung, das die Vergesellschaftung großer Wohnungskonzerne vorsieht. Hier bleibt noch abzuwarten, ob das Gesetz einer gerichtlichen Prüfung standhält.

In den vergangenen Jahren traten zusätzlich verstärkt Gesetze im Zusammenhang mit der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft bzw. der Klimaneutralität bis 2050 auf den Plan, die im Bereich der Immobilien auf die Ausrichtung auf Energieeffizienz abzielen. Hier fungiert die Europäische Union als Taktgeber. So soll mit der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden der EU gemäß den jüngsten Verhandlungsergebnissen der Energieverbrauch von Bestandswohnimmobilien durchschnittlich bis 2030 um mindestens 16% und bis 2035 um 20-22% gesenkt werden. Eine zuerst vorgeschlagene Sanierungspflicht von Wohngebäuden mit schlechter Energiebilanz wurde abgewendet. Wie die Senkung des Energieverbrauchs des Gebäudebestands konkret umgesetzt werden soll, müssen die EU-Staaten dann jeweils selbst entscheiden. Auf nationaler Ebene hat das von der Ampelkoalition verabschiedete und 2024 in Kraft getretene Gebäudeenergiegesetz (auch „Heizungsgesetz“ genannt) für große Verunsicherung bei Wohnimmobilieninvestoren bzw. Hauseigentümern gesorgt. Dieses verpflichtet jedoch Hauseigentümer nur unter bestimmten Voraussetzungen zu handeln: Eigentümer von sich im Bau befindenden Immobilien müssen Heizungen einbauen, die erneuerbare Energien mit einem Anteil von 65% oder mehr nutzen. Eigentümer von Bestandsimmobilien werden dazu verpflichtet, fossile Heizungen auszutauschen, wenn diese älter als 30 Jahre alt sind.

Wirtschaftsstandort Deutschland: vom Zugpferd zum kranken Mann Europas?
Ob es sich bei der gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwäche Deutschlands nur um ein kurzfristiges Phänomen oder um ein größeres Problem handelt, wird sich mit der Zeit zeigen. Ein wichtiger Faktor für eine funktionierende Volkswirtschaft ist aber nach wie vor intakt: die Beschäftigung. So ist die Arbeitslosenquote in den vergangenen 20 Jahren kontinuierlich gesunken und pendelt im Moment bei rund 6% (Stand November 2023). Die Alterung der Gesellschaft und der Fachkräftemangel stellen in dieser Hinsicht eine größere Bedrohung dar als zu wenige Arbeitsstellen. Hier kann die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte einen bedeutenden Hebel darstellen, um diese Lücke zu schließen.

Die diesjährige Schieflage der deutschen Wirtschaft mit niedrigem Wirtschaftswachstum, hoher Inflation und hohen Zinsen ist bereits im Begriff, sich zu bessern. So ist die Inflation mittlerweile mit 3,2% (Stand November 2023) auf ein Niveau gesunken, das nicht mehr weit entfernt von dem Zielwert von 2% der Europäischen Zentralbank liegt. Auch die Zinsen scheinen ihren Höhepunkt erreicht zu haben und werden nach Einschätzung vieler Experten 2024 wieder gesenkt werden. Diese Dynamik dürfte sich auch positiv auf die deutsche Wirtschaft und letztendlich auch auf energieintensive Wirtschaftszweige auswirken. Außerdem ist für deutsche exportorientierte Unternehmen weniger die Inlandsnachfrage, sondern die wirtschaftliche Entwicklung in Hauptexportländern wie den USA oder China maßgeblich.

Deutscher Wohnimmobilienmarkt bleibt attraktiv
Das begrenzte Angebot an Wohnraum und die weiterhin hohe Nachfrage in wirtschaftsstarken Regionen führt dazu, dass die Mieten von deutschen Wohnimmobilien weiter steigen. Die Schaffung von neuem Wohnraum wurde durch die Zinsentwicklung und die hohe Inflation praktisch zum Erliegen gebracht, sodass kurzfristig nicht mit einem größeren Angebot an Wohnraum zu rechnen ist. Wenn sich die deutsche Wirtschaft mittelfristig wieder erholt und die Zinsen sinken, dürfte auch die Nachfrage nach Neubauimmobilien wieder anziehen. Neubauimmobilien sind auch im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit ein attraktives Investment, da hier die Energieeffizienz direkt umgesetzt werden kann und somit Kostenfallen vermieden werden können. Problematisch ist jedoch, dass die die mediale Berichterstattung zu den gegenwärtigen Schatten am deutschen Wohnimmobilienmarkt auch in New York und London gut ankommt. Den zweiten Blick wagen die meisten dann leider nicht mehr.

*) Adalbert Pokorski, Gründer und Geschäftsführer der Greenwater Capital GmbH