IPE D.A.CH: Hat Corona die Kriterien beeinflusst, nach denen Sie die langfristige Finanzierbarkeit eines Infrastrukturprojekts beurteilen? Wenn ja, wie?
Matthews: Anstatt unseren Ansatz oder unsere Kriterien zu verändern, hat Corona unsere Anlagephilosophie bekräftigt. Whitehelms Investitionsfokus auf Kerninfrastrukturen des mittleren Marktsegments mit vernünftigen Kapitalstrukturen und geringem wirtschaftlichem Risiko hat seine Berechtigung über mehrere Marktzyklen hinweg bewiesen. Defensive Anlagen mit soliden Bilanzen und stabilen Cashflows sind genau die Art von Infrastrukturanlagen, die sich im aktuellen Umfeld gut entwickelt haben.
IPE D.A.CH: Viele Regierungen stoßen aufgrund der beispiellosen Ausgaben zur Corona-Krisenbewältigung und eines potenziellen langfristigen Rückgangs der Verkehrsteilnehmer an ihre Grenzen. Müssen sich die traditionellen Finanzierungsmodelle für Infrastruktur nun ändern?
Matthews: Infrastruktur spielt eine entscheidende Rolle bei der wirtschaftlichen Erholung von Corona und hilft den Gesellschaften, ihre ökologischen und sozialen Ziele zu erreichen. Es ist jedoch klar, dass die Regierungen die Kapitalkosten für die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen nicht allein aufbringen können. Um diese Chance zu nutzen, ist daher eine Vielzahl von Finanzierungsmodellen gefragt. Dazu gehören die Finanzierung durch den privaten Sektor, Nutzerzahlungsmodelle, die Finanzierung durch den öffentlichen Sektor und öffentlich-private Partnerschaften. Ein Finanzierungsmodell, das nach Corona mehr zum Einsatz kommen könnte, sind öffentlich-private Partnerschaften. Obwohl öffentlich-private Partnerschaften in einigen Märkten in Ungnade gefallen sind, sind sie ein effizientes Mittel, um privates Kapital zur Unterstützung kritischer Infrastrukturprogramme bereitzustellen, sofern sie entsprechend eingesetzt werden und eine gerechte Risiko- und Renditeverteilung vorsehen. Smart-City-Infrastruktur ist ein Bereich, in dem neue und innovative Anwendungen von öffentlich-privaten Partnerschaften die Umsetzung beschleunigen könnten.
IPE D.A.CH: Was sind die großen Infrastruktur-Investitionsmöglichkeiten in einer Welt nach Corona?
Matthews: Die großen Investitionsmöglichkeiten in Infrastruktur in einer Nach-Corona-Welt lassen sich in drei Bereiche einteilen: 1. Nachhaltigkeit – Die Infrastruktur spielt eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft und dem Erreichen einer Erderwärmung von unter zwei Grad. Ein Energiewandel kann nur durch eine geänderte Energienachfrage in Verbindung mit Infrastrukturinvestitionen zur Deckung dieser Nachfrage erreicht werden. 2. Digitale Infrastruktur und Smart Cities – Die Pandemie hat die anhaltende und wachsende Bedeutung der digitalen Infrastruktur deutlich gemacht. Es besteht eine große Chance, nicht nur die Konnektivität zu verbessern, sondern auch die digitale Infrastruktur zu nutzen, um nachhaltigere und lebenswertere Gemeinden zu schaffen. 3. Soziale Infrastruktur: Investitionen in die soziale Infrastruktur sind der Schlüssel zum Abbau von Ungleichheiten und für einen breiteren Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung, Gesundheitsversorgung und Dienstleistungen.
IPE D.A.CH: Corona war eine Gelegenheit, über Resilienz und Nachhaltigkeit nachzudenken. Wie wichtig ist ökologische Nachhaltigkeit für Ihre Zukunftsstrategie?
Matthews: Nachhaltigkeit ist das Herzstück von allem, was wir tun. Man muss sich nur die Herausforderungen ansehen, vor denen die Welt im Jahr 2020 und jetzt 2021 steht - nicht nur die Auswirkungen von Covid-19, sondern auch die krassen Beweise des Klimawandels, einschließlich der 46 Mio. Hektar verbrannter australischer Wildnis und den fatalen Waldbränden an der Westküste der USA - um zu begreifen, dass ein Wandel zu einer nachhaltigeren Lebensweise notwendig ist. Infrastruktur ist in der einzigartigen Lage, zum Wandel hin zu einer nachhaltigeren Lebensweise beizutragen - sei es durch die Erzeugung erneuerbarer Energien oder durch die Bereitstellung der Konnektivität, die eine moderne städtische Infrastruktur unterstützt.
IPE D.A.CH: 2020 verstärkte sich eine zunehmende Fokussierung auf Souveränität und nationalistische Tendenzen. Beeinflusst dies Ihre Risikobewertung, insbesondere in Bezug auf grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte?
Matthews: Risiken im Zusammenhang mit souveränen Staaten und nationalistischen Tendenzen sind kein neues Phänomen. Infrastruktur-Anlagen wiesen schon immer ein erhebliches Maß an politischen Risiken auf und werden es auch immer tun. Wir begegnen dem in dreierlei Hinsicht: Bewertung – Eine umfassende Bewertung und Überprüfung der Länderrisiken ist ein wichtiger Bestandteil jeder Infrastrukturinvestition. Erfahrung hilft. Geografischer Fokus – Wir investieren in Kernregionen der OECD. Dies beseitigt zwar nicht das politische Risiko, aber es ist deutlich geringer als in einigen Schwellenländern und peripheren Märkten. Mid-Market-Infrastruktur – Der Fokus auf Mid-Market-Infrastruktur trägt dazu bei, das Risiko von Staatsinterventionen wesentlich zu reduzieren. Ebenso wichtig ist schließlich die Notwendigkeit eines starken Fokus auf den Sozialaspekt von ESG. Investitionen in die Einbindung von Stakeholdern und die Aufrechterhaltung einer „Social License to Operate“ sind wichtiger denn je, um den Anstieg von Populismus und nationalistischen Tendenzen zu bremsen.
IPE D.A.CH: Besten Dank für die Einblicke.